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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Dritter Band.pdf/274

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erkrankt, der soll sich durch Aderlaß etwa ein Pfund Blut abzapfen. Dann soll er das von Kegler präparirte Lebenswasser einnehmen, das die Patienten nebenbei auch vor Schlaganfällen bewahrt. Es wird in zwei Sorten für Arme und Reiche verkauft. Das für Arme ist im Wesentlichen ein Produkt aus Essig und gebratener Zwiebel, das für Wohlhabende ist aus allerhand Kräutern bereitet. Neben dieser leiblichen Arznei soll der Kranke aber auch die geistliche nicht vergessen, indem er sich durch seinen Beichtvater auf ein seliges Ende vorbereiten läßt. Schlägt die Kur an, so soll man etwa 14 Tage im Bett bleiben und tüchtig schwitzen, um die Giftstoffe aus dem Körper zu schaffen. Der frischen Luft muß man während dieser Zeit ängstlich den Zutritt verwehren. Den schlimmen Geruch, der die Krankenstube erfüllt, soll man durch Räucherungen vertreiben. Wird der Kranke gesund, so soll er Gott danken und sich vornehmen, einen neuen Lebenswandel zu beginnen, um nicht wieder das Strafgericht des Himmels herauszufordern.

Von sonstigen Wissenschaften erfreuten sich zu jener Zeit namentlich die Geschichte und die Erdkunde in Dresden einer gewissen Pflege. Beide waren durch zwei Autodidakten, Johann Frenzel und Daniel Winzenberger vertreten, über deren Leben und Werke bisher so gut wie nichts bekannt ist. Allerdings war das, was sie leisteten, nicht von dauerndem Werte. Beide waren Persönlichkeiten ohne scharf ausgeprägten wissenschaftlichen oder litterarischen Charakter. Wie die meisten Literaten ihrer Zeit standen sie ganz im Banne jener öden polyhistorischen Methode, die im toten Kompiliren aufging und sich darin gefiel, aus vielen alten Büchern ohne tief eindringende Kritik ein neues herzustellen. Nur wo sie aus eigener Anschauung schöpfen konnten, sind sie nicht völlig von dem gedruckten Stoffe abhängig. Selbständige Urtheile oder vom Herkömmlichen abweichende eigene Meinungen wagten sie nicht vorzubringen. Ihr höchster Genuß bestand darin, ihre Leser durch gelehrte Zitate oder Anspielungen zu verblüffen. Keiner hat seine Seele in eins seiner Bücher gelegt. Darum sind ihre Werke für uns ungenießbar, und nur noch als litterarische Kuriositäten vermögen sie einiges Interesse zu erregen.

Johann Frenzel, der sich in seinen Schriften der Rechten und Historien Studiosus und Bürger zu Dresden nennt und der bisher meist mit dem um 1680 lebenden gleichnamigen Rektor der Annenschule verwechselt wurde, gab zunächst ein dem Kuradministrator Friedrich Wilhelm gewidmetes geographisches Lehrbuch heraus[1], das sich bei näherer Betrachtung als ein hier und da ergänzter und verbesserter Auszug aus den großen kosmographischen Werken eines Sebastian Franck und Sebastian Münster erweist. Wie der Verfasser ohne alles Wandern sein Buch lediglich in der Studirstube zusammengestoppelt hat, so will er auch den Lesern die Ueberzeugung beibringen, es sei weit bequemer, billiger und gefahrloser, die Welt durch Lektüre kennen zu lernen, als sie mit viel Mühe und Unkosten zu durchreisen. Von allen Ländern schildert er am ausführlichsten Deutschland und die Nachbargebiete, sowie alle die Orte, an denen, wie er sich ausdrückt, die lieben Altväter und Propheten gelehrt und geweissagt haben, wo Christus Mensch geboren und gestorben ist und wo das Evangelium durch die Apostel gepredigt wurde. Ebensowenig selbständig sind Frenzels Leistungen als Historiker. Die meisten seiner Geschichtswerke sind deutsche Uebersetzungen fremdsprachlicher Quellen, die er den Kurfürsten August und Christian I. überreichte und die sich im Manuskript noch heute in der Königlichen Bibliothek befinden. Erwähnenswerth möchten folgende Uebersetzungen sein: des David Chyträus Lebensbeschreibung der drei Kaiser Karl V., Ferdinand I. und Maximilian II. 1584 (Ms. H 162), Matthäus Dressers Rede vom Nutzen der Historie und desselben Traktat von der Russen, Tartaren und alten Preußen Religion, Sitten und Gebräuchen aus demselben Jahre (Ms. G 248), die Kirchengeschichte des Sulpitius Severus 1588 (Ms. A 10), die Weltgeschichte des Marcantonius Sabellicus in 11 Foliobänden, die Frenzel 1590 nach einem Entwurf des Kantoreidieners Heinrich Habermehl verbesserte und vollendete. Nur ein einziges Geschichtswerk Frenzels, seine völlig kritiklose und mit vielen schlechten Holzschnitten versehene römische Kirchenhistorie[2] scheint im Druck auf uns gekommen sein. Sie hält sich frei von jeder konfessionellen Polemik, erwarb sich darum auch bei den Katholiken Freunde und kam nicht auf den römischen Index.

Frenzels Zeitgenosse und Landsmann, der kurfürstliche Postbereiter Daniel Winzenberger aus Grimma, begann seine litterarische Laufbahn gleichfalls mit geographischen Schriften, nämlich mit zwei Reisebüchern, welche alle Stationen der Poststraßen von Dresden und

von Leipzig aus[3] nach allen Theilen des heiligen


  1. Synopsis geographica, Oder Kurze und Eigentliche Beschreibung des gantzen Erdkreises, wie derselbe zu unsern zeiten in seine Lender und Herrschaften abgetheilet wird ... Dreßden 1592.
  2. Römische Kirchen-Historien darinnen Nach ordentlicher gewisser Jahrrechnung von dem heiligen Petro an biß auff unsere zeiten aller Bäbste geschicht, Leben, Wandel ... meldung geschicht ... [Leipzig] 1600. – Historia ecclesiastica Romana. Neue Papst-Chronica oder Römische Kirchen-Historia, mit Fortsetzung von Gregorius Wintermonat ... [Leipzig] 1614.
  3. Ein Naw Reyse Büchlein von der Stadt Dreßden aus durch gantz Deudschlandt ... Dreßden 1577. – Wegweiser oder Reyse Büchlein, Von der Stad Dreßden aus, der fürnemsten Wege und strassen durch gantz Deudschland ... Dreßden 1597 – Ein Naw Reyse Büchlein Von der Weitberümbten Churfürstlichen Sechsischen Handelstad Leiptzig aus, an die vornembsten örter in Deudschland vnd etzlichen anstoßenden Königreichen vnd Lendern ... Dreßden 1595.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/274&oldid=- (Version vom 11.10.2024)