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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Dritter Band.pdf/275

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römischen Reichs und der angrenzenden Länder mit Angabe der Entfernungen in Meilen verzeichnen. Diese Bücher waren hauptsächlich für Kaufleute, wandernde Handwerksgesellen und Boten bestimmt. Sie sind von Interesse für die Kenntniß des Straßennetzes und des Verkehrswesens jener Zeit und verdienten eine eingehende Untersuchung und eine gründliche Vergleichung mit den Straßenkarten Deutschlands, die schon seit dem Ende des 15. Jahrhunderts namentlich in Nürnberg im Druck erschienen. Beschreibungen der Orte und ihrer Sehenswürdigkeiten sind nicht vorhanden, dagegen werden Residenzen, Festungen, Schlösser und Klöster durch symbolische Zeichen angedeutet. Als Anhang finden sich allerhand statistische Tabellen: Verzeichnisse der deutschen Ströme, Festungen, Bisthümer, Jahrmärkte und der 30 Elbzölle von Dresden bis Hamburg, in der Ausgabe von 1597 außerdem Trostsprüche für Wanderer aus der Bibel und dem Volksmunde, Reisegebete und eine geistliche Uhr, enthaltend ein frommes Gedicht auf jede Stunde des Tages. Weniger bemerkenswerth sind zwei historische Werke Winzenbergers[1], die er sich rühmt aus 60 Schriftstellern kompilirt zu haben und die in annalistischer Form die wichtigsten geschichtlichen und Naturereignisse seit dem Jahre 1500 vorführen und sie als Vorzeichen des jüngsten Tages zu deuten versuchen. Besonders vollständig sind die zu abergläubischen Deutungen vor allem geeigneten Himmelserscheinungen, Finsternisse, Kometen, Wasserfluten, Erdbeben, Mißernten, Pestzeiten und Mißgeburten zusammengestellt. Zwei weitere unter sich sehr ähnliche Schriften desselben Verfassers beschäftigen sich mit dem Kriegswesen[2]. Sie wollen lehren, wie ein Krieg vorbereitet, geführt und beendet werden muß. Dabei erfährt man vielerlei Merkwürdiges über die Einrichtung von Zeughäusern, über das Geschützwesen jener Zeit, über Erbauung, Unterhaltung, Vertheidigung, Belagerung und Erstürmung von Festungen, über Anwerbung, Besoldung, Rechte und Pflichten der Soldaten und Offiziere aller Waffengattungen, über Kriegsrecht und Schlachtordnungen. Zum Schluß folgt eine christliche Erinnerung aus Luthers Schriften, daß auch der Kriegerstand trotz vieler gegentheiliger Meinungen ein Gott wohlgefälliger Stand sei.

Um dieselbe Zeit, als Winzenberger seine Reisebücher durch Deutschland drucken ließ, lebten in Dresden noch zwei andere Reisende, die nicht nur das heilige römische Reich, sondern auch ferne Länder und Erdtheile gesehen hatten: Hans Breißinger und Bernhard von Miltitz. Breißinger stammte aus Dresden und war in jungen Jahren unter die Soldaten gegangen. Er kämpfte als Landsknecht in Italien, Frankreich und den Niederlanden, half den Spaniern 1580 Portugal erobern und die Azoren besetzen und diente dann dem Hause Habsburg in Ungarn gegen die Türken. Bei einem Ausfalle aus der Festung Komorn wurde er eines Tages von den Feinden gefangen. Diese führten ihn nach Konstantinopel und verkauften ihn hier als Sklaven an einen Kaufmann, den er auf seinen Handelsreisen nach Vorderasien und Nordafrika begleiten mußte. Als beide zur See nach der türkischen Hauptstadt zurückkehren wollten, wurde ihr Schiff im Aegäischen Meere durch maltesische Seeräuber gekapert, die Breißinger befreiten und mit nach ihrer Insel nahmen. Von hier aus kehrte er durch Italien und Deutschland nach seiner Vaterstadt zurück, wo ihn der Kurfürst in die Leibtrabantengarde aufnahm. Als er nach mehreren Jahren einen Schlaganfall erlitt, wurde er wegen Dienstuntauglichkeit entlassen. In seiner Noth schrieb er eine Schilderung seiner abenteuerlichen Erlebnisse nieder und überreichte sie seinem Herrn mit der Bitte um eine Unterstützung. Die bisher ungedruckte Handschrift befindet sich noch heute in der Königlichen Bibliothek (Ms. F 171c). Sie ist zwar voller Irrthümer, dazu barbarisch in Stil und Rechtschreibung, aber durch die treuherzige Art der Darstellung doch geeignet, Theil- nahme zu erwecken[3].

Diel bedeutender sind die Reisen Bernhards von Miltitz[4], der früher, wenn auch mit Unrecht, als der erste sächsische Weltumsegler galt. Leider sind die Tagebücher, die er während seiner Abenteurerfahrten geführt hatte, spurlos verschwunden. Als dürftiger Ersatz ist nur ein ungenügender Auszug derselben übrig geblieben, den der Magister Johann Durrius zu Wittenberg seiner beim Begräbniß unseres Miltitz gehaltenen Leichenpredigt eingefügt hat (Wittenberg. 1628). Da Durrius sehr mangelhafte geographische Kenntnisse besaß, so hat er

Anmerkungen

  1. Wahrhafftige Geschichte vnd gedenckwirdige Händel, so von dem 1500. Jar an bis auff dis 1583, Jar ergangen, kurz vnd richtig nach ordenung der Jahre Beschrieben ... Dreßden 1583. Mit zahlreichen Holzschnitten. – Beschreibung, Was für Königreiche, Fürstenthumbe vnd Grafschafften von dem 1500 Jare an bis auff diß 1585. Jar verendert vnd abgestorben ... Dreßden 1585.
  2. Krieges Ordnung: Zu Roß vnd Fuß, sampt der Artalerey vnd zugehörigen Munition ... Dreßden 1595. – Krieges Ordnung: Zu Wasser vnd Landt. Kurtzer vnd eigentlicher Vnderricht der Krieges Händel, so geübet werden ... Dreßden 1596. – In der Einleitung wird auf eine frühere Ausgabe von 1588 verwiesen, die aber anscheinend verschollen ist. Beide Werke enthalten eine Ansicht von Dresden in Holzschnitt, die sich in verschiedenen Erzeugnissen der Offizin des Druckers Gimel Bergen, unter anderm auch in der Selbstbiographie des Superintendenten Daniel Greser findet.
  3. V. Hantzsch, Deutsche Reisende des 16. Jahrhunderts, Leipzig 1895, S. 77–79. – Dresdner Geschichtsblätter 1896, S. 274ff.
  4. v. Kyaw, Ein Courist gegen Ende des 16. Jahrhunderts (Neues Lausitz. Magazin 49, 1872, 126–134). – A. Kirchhoff, Ein sächsischer Weltumsegler des 16. Jahrhunderts (Mitt. d. V. f. Erdkunde zu Halle 1881, 67–81). – S. Ruge, Bernhard von Miltitz kein Weltumsegler (Neues Archiv f. Sächsische Geschichte 3, 1882, 66–77).
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 255. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/275&oldid=- (Version vom 10.10.2024)