Aber diese glückliche Zeit dauerte nicht lange. Am 31. März 1845 stürzte infolge eines Hochwassers von bis dahin unbekannter Höhe der sogenannte Kreuzpfeiler der Augustusbrücke ein und das Publikum sah sich zunächst auf die Benutzung der fliegenden Fähre angewiesen, die mit möglichster Beschleunigung zwischen dem Palaisgarten und dem Packhofe eingerichtet wurde. Nun waren alle zollpflichtig, Auswärtige wie Einheimische, Wagen, Vieh, Reiter und Fußgänger. Am 25. April wurde unter dem Vorsitz des Staatsministers von Falkenstein im Ministerium des Innern eine Konferenz von Staatsbeamten und Rathsmitgliedern abgehalten und hierbei die Aufstellung einer Schiffbrücke zwischen Elbberg und dem Pontonschuppen, also ungefähr an der Stelle, wo heute die Königin Carola-Brücke steht, vereinbart; zur Deckung der Kosten wurde vom Minister selbst die Erhebung eines erhöhten Brückenzolls angeboten[1]. Der im Jahre 1825 durch den Druck bekannt gemachte Tarif, der bei der Aenderung des Münzfußes Anfang 1841 im ganzen unverändert beibehalten worden war, trat außer Kraft und an seine Stelle ein Tarif, nach welchem nur die Fußgänger vom Zolle befreit, dagegen Vieh und Fuhrwerke aller Art, sogar Schiebeböcke, Schubkarren und Handwagen, ohne Unterschied, ob sie Einheimischen oder Fremden gehörten, zollpflichtig waren[2]. Nachdem die durch den Pfeilereinsturz entstandene Lücke durch einen provisorischen hölzernen Einbau ausgefüllt worden war, wurde der zunächst nur für die Schiffbrücke genehmigte Tarif auch auf die Augustusbrücke übertragen, jedoch sehr bald darauf, durch Bekanntmachung vom 20. Januar 1846, nach anderweiten Verhandlungen mit den betheiligten Ministerien einer gründlichen Aenderung insofern unterzogen, als zwar die Sätze von 2 und 1 Ngr. von Frachtgüter-, beziehentlich land- und hauswirthschaftlichem, sowie Personenfuhrwerk von Einheimischen und Fremden gezahlt werden sollten, dagegen die ferneren Sätze von leeren Wagen, Reitpferden, Handwagen, Schubkarren und Schiebeböcken, Lasten und Vieh nur von Fremden.
Das Finanzministerium drang aber im Interesse möglichster Verkehrserleichterung auf noch weitere Herabsetzung der Zollsätze und mit Widerstreben – denn jede Abminderung der Zolleinnahme bedeutete eine Verlängerung der Tilgungszeit für die Brückenbauschuld – willigte der Rath ein, daß von Wiedereröffnung der Augustusbrücke an, die am 16. November 1846 erfolgte, der Zoll von beladenem Frachtfuhrwerk von 2 auf 11/2 und, wenn das Frachtfuhrwerk leer die Brücke passiere, auf 1 Ngr. für jedes Pferd herabgesetzt werde. Auch die nur für fremde Passanten geltenden Sätze unterlagen einer nicht unwesentlichen Ermäßigung[3].
Der erhöhte Brückenzoll war zwar von den Ministerien des Innern und der Finanzen unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs genehmigt worden; es wurde aber als selbstverständlich angesehen, daß er so lange zur Erhebung gelangen müsse, bis der durch die Wiederherstellung der Augustusbrücke, einschließlich der Unterhaltung der fliegenden Fähre und der Erbauung und Unterhaltung der Schiffbrücke erwachsene Aufwand, der sich auf 155 661 Thaler 22 Neugroschen 6 Pfennig belief[4], gedeckt sei. An das Brückenamt wurde und wird noch heute jährlich der Betrag von 3095 Thaler abgeführt als der jährliche Ertrag des Zolles nach dem zehnjährigen Durchschnitt der Jahre 1835–1844. Aus diesen Beträgen ist ein Fonds angesammelt worden, der später zur Unterhaltung der neu zu bauenden Augustusbrücke dienen wird.
Die Tilgung der Brückenbauschuld war im März 1861 vollständig beendigt[5]. Sie wäre noch früher beendigt gewesen, wenn nicht im Jahre 1856 aus den Brückenzolleinnahmen ein Betrag von 12 000 Thalern hergegeben worden wäre zum Bau des Thurms an der Dreikönigskirche, und zwar auf Ansuchen des Thurmbauausschusses, welches damit begründet war, daß „die Revenuen der alten Brücke stiftungsgemäß zu kirchlichen Zwecken gewidmet“ seien[6]. Daß diese Anschauung eine irrthümliche war und nur die Kreuzkirche, aber keine andere Kirche der Stadt, Anspruch auf die Gelder des Brückenamts hatte, ist erst durch den zwei Jahre später erschienenen Vortrag des Bürgermeisters Neubert über die Rechtsverhältnisse der alten Elbbrücke klargestellt worden.
Nach vollendeter Tilgung der Schuld fühlte der Rath das Bedürfniß, die erhöhten Brückenzölle weiter zu erheben. Neue Wasserfluthen hatten den Brückenkörper beschädigt und es konnte kein Zweifel sein, daß der ehrwürdige alte Bau über kurz oder lang durch einen Neubau werde ersetzt werden müssen. An einen Neubau im Interesse der Schifffahrt, der neuerdings in den Vordergrund gerückt worden ist, dachte damals noch niemand.
- ↑ G. XXIV. 73.
- ↑ Bei Wagen berechnete sich der Zoll nach der Zahl der Zugthiere, und zwar wurden erhoben: von jedem Thiere vor beladenen Frachtgüterwagen 2 Neugroschen, vor mit land- und hauswirthschaftlichen Gegenständen beladenen, unbeladenen oder nur mit Personen besetzten Wagen, desgleichen unbespannten Wagen, Reitern und beladenen Handwagen, die von mindestens zwei Personen gefahren wurden, 1 Neugroschen, von kleineren Handwagen, Lasten, die von zwei und mehr Personen getragen wurden, leergehenden Pferden und Großvieh 5 Pfennig, von beladenen Schubkarren und Schiebeböcken 3 Pfennig und von Kleinvieh 2 Pfennig vom Stück, wobei jedoch in Herden von je fünf Stück nur der einfache Satz zu entrichten war.
- ↑ A. XXIV. 52 (Br. 1a).
- ↑ G. XXIV. 78 (Br. 1b), Bl. 15 flgg.
- ↑ G. XXIV. 83, Bl. 66a.
- ↑ B. II. 110t.
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 271. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/291&oldid=- (Version vom 13.11.2024)