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Kreuzesbotschaft
§ 6. INHALT DER KREUZESBOTSCHAFT

Wir haben erwogen, auf welchen Wegen die Kreuzesbotschaft zu Johannes gedrungen sein mag. Die folgenden Teile wollen zeigen, wie sich diese Botschaft in Lehre und Leben des Heiligen ausgewirkt hat. Dazu ist es notwendig, den Inhalt der Botschaft – in einem vorläufigen knappen Umriß – klar vor Augen zu haben. Wir stellen ihn hier so hin, wie wir ihn bei dem Meister der Kreuzeswissenschaft selbst finden:

„,Wie eng ist die Pforte und schmal der Weg, der zum Leben führt, und nur wenige finden ihn’ (Matth. 7,14). Bei dieser Stelle darf durchaus nicht übersehen werden, welches Gewicht und welche Betonung auf das Wörtchen wie gelegt ist. Es soll uns wohl sagen: wahrhaftig, er ist sehr schmal, schmäler als ihr glaubt .... Dieser Weg auf den hohen Berg der Vollkommenheit läßt sich nur von solchen Wanderern beschreiten, die keine Last tragen, welche sie abwärts ziehen würde .... Und weil dabei nur Gott allein das Ziel ist, das man suchen und erwerben soll, darf man auch nur Gott allein suchen und erwerben .... Weil nun der Herr uns diesen Weg weisen wollte, trug Er uns .... jene wunderbare Lehre vor, die unbegreiflicherweise von den geistlichen Seelen um so weniger befolgt wird, je notwendiger sie ihnen ist .... ,Wer mein Jünger sein will, verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren, wer aber sein Leben um meinetwillen .... verliert, wird es retten’ (Marc. 8, 34 f.). O könnte doch einer den Inhalt dieser erhabenen Lehre .... so recht erklären und probieren und auskosten!.... Beraubung aller Süßigkeit in Gott .... Trockenheit, Ekel und Mühsal .... ist das rein geistige Kreuz, ist die Blöße der Armut im Geiste Christi .... Der rechte Geist sucht in Gott eher das Unschmackhafte als das Angenehme; er ist mehr zum Leiden als zum Trost geneigt, mehr zum Verzicht auf alle Güter um Gottes willen als zu ihrem Besitz; ihm ist Trockenheit und Trübsal lieber als süßer Verkehr, da er weiß, daß hierin die Nachfolge Christi und die Selbstverleugnung besteht, während das andere weiter nichts ist als sich selbst in Gott suchen .... Gott in Gott suchen heißt, .... um Christi willen bereit sein, von Seiten Gottes und der Welt gerade das Unschmackhafte zu wählen“. Die Entsagung nach dem Willen des Heilands „muß ein Absterben und Vernichten alles dessen sein, was der Wille in zeitlicher, natürlicher und geistiger Beziehung hochhält“. Wer aber in dieser Weise das Kreuz trägt, wird erfahren, daß es ein „süßes Joch“ und eine „leichte Bürde“ ist (Matth. 11, 30), denn er wird „in allen

Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/026&oldid=- (Version vom 3.8.2020)