Seite:Edith Stein - Kreuzeswissenschaft.pdf/134

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Tod und Auferstehung

um zur Kenntnis zu gelangen, was sich zuträgt. Und sie vermögen auch nicht zur Kenntnis des innigen und geheimnisvollen Verkehrs zwischen Gott und der Seele zu gelangen. Denn diese Gnadenerweise sind .... ganz göttlich, erhaben und gewissermaßen wesenhafte Berührungen zwischen Gott und der Seele; in einer einzigen dieser Berührungen, die den höchsten Grad des Gebetslebens ausmachen, empfängt die Seele mehr Gnaden als in allen übrigen....; darum ersehnt sie eine solche göttliche Berührung und schätzt sie höher als alle anderen Gnaden, die ihr Gott erweist.... Wenn jene Gnadenerweise der Seele im Verborgenen, d.h. allein im Geist, mitgeteilt werden, sieht sie sich, ohne zu wissen wie, bezüglich ihres höheren Teils so vom niederen, sinnlichen Teil geschieden und getrennt, gewahrt sie in sich zwei so voneinander verschiedene Teile, daß es ihr vorkommt, als bestehe keine Gemeinschaft mehr zwischen beiden.... Und das ist in gewissem Sinne wirklich so, denn alles, was sie hier wirkt, ist ganz geistig, und so hat sie darin mit dem sinnlichen Teil nichts mehr gemein. So wird die Seele ganz geistig, und in dieser Verborgenheit der einigenden Beschauung stellen die geistigen Regungen und Begierden ihre Tätigkeit fast ganz ein“. Darum singt die Seele, wenn sie von ihrem höheren Teil spricht....: „Da schon mein Haus in tiefer Ruhe lag“[1].

Sie will damit sagen: „Da der höhere Teil meiner Seele ebenso wie der niedere mit seinen Begierden und Vermögen schon in Ruhe war, entwich ich zur göttlichen Liebesvereinigung mit Gott“. Der sinnliche wie der geistige Teil sind in der dunklen Nacht angefochten worden. Beide mußten „mit ihren Vermögen und Gelüsten zur Ruhe und zum Frieden gebracht werden“. Darum kehrt dieser Vers zweimal wieder. „Diese Beruhigung und diesen Frieden des geistigen Hauses muß die Seele sich zu ihrem bleibenden und vollkommenen Besitz machen, soweit es der Stand dieses gegenwärtigen Lebens zuläßt, und zwar mittels jenen gleichsam wesenhaften Berührungen der göttlichen Vereinigung....“ Durch sie mußte die Seele gereinigt, beruhigt und widerstandsfähig gemacht werden, um eingehen zu können in jene Vereinigung: „die göttliche Vermählung zwischen der Seele und dem Sohne Gottes. Sobald nun diese zwei Behausungen der Seele mit all ihren Hausgenossen, den Seelenkräften und Begierden, vollkommen zur Ruhe gelangt und gestärkt sind, sobald sie bezüglich aller himmlischen und irdischen Dinge in Schlaf und Schweigen liegen, vereinigt sich mit ihr die göttliche Weisheit unmittelbar durch ein neues Band des Liebesbesitzes.... Zu dieser


  1. a. a. O. Str. 2 V. 4, Kap. 23, E. Cr. II 124 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/134&oldid=- (Version vom 7.1.2019)