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Friedrich Wilhelm Carové: Ein Tag auf dem Stadtthurm zu Andernach. In: Moosblüthen, zum Christgeschenk, S. 175-222

der Thürmer an meiner Seele vorübergeführt. Welch reiche Welt lag vor meinen Augen ausgebreitet, – wie zauberisch war die Zukunft, die aus solchem Lebensbaume hervortrieb! – Auch die Hand schien beflügelt; denn in wenigen Stunden schlängelte sich der Rhein schon auf meiner Tafel hin, die Berge hoben ihr gekröntes Haupt stolz zum Himmel und die Rauchsäulen von den Dörfern verloren sich in die blaue Luft. – Da schlug die Glocke Eins, und siehe, das Thurmpförtlein öffnete sich, und ein zartes Mägdlein mit einem Korbe am Arme trat hervor und mit schüchternem Erröthen fragte sie mich, ob ich wohl der Herr sey, der aus der Lilie, – so hieß mein Gasthaus, – das Mittagsessen bestellt habe. Dabei senkten sich die langen schwarzen Augenlieder, und der zartgeschlossene Mund schien eine Rosenknospe zu seyn, die in der schirmenden Grünung noch von keinem Sonnenstrahle war berührt worden. Ein himmelblaues Mieder umfing züchtig den jungfräulichen Busen und die reichen

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Friedrich Wilhelm Carové: Ein Tag auf dem Stadtthurm zu Andernach. In: Moosblüthen, zum Christgeschenk, S. 175-222. Brönner, Frankfurt a.M. 1830, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_Tag_auf_dem_Stadtthurm_zu_Andernach.pdf/33&oldid=- (Version vom 31.7.2018)