Jonathan Swift übersetzt von Franz Kottenkamp: Ein sonderbarer Traum | |
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als ob er Ekel empfände; alsdann gab er ihr einen Schlag mit dem Schwanze, worauf sie zur Gallerie, durchaus nicht aus der Fassung gebracht, zurückkehrte. Dies, wie es schien, war die gewöhnliche Behandlung der Koketten.
Jetzt, glaubte ich, hätten wir genug gesehen, allein mein Freund wollte durchaus noch weiter, und einen oder zwei Löwen in der Altstadt London besuchen. Wir gingen in ein oder zwei Höhlen, wo gerade kein eigentliches Schauspiel zu sehen war, fanden aber in jeder Löwenhöhle gewöhnlich ungefähr zehn junge Mädchen zwischen acht oder elf Jahren, die mit jedem Löwen spielten, sich ihm auf den Rücken setzten, oder die Hände ihm ins Maul steckten. Einige von ihnen erhielten dann und wann eine kleine Schramme, allein wir entdeckten immer bei näherer Untersuchung, daß sie mit den kleinen Lehrjungen unverschämten Spaß getrieben hätten. Eines von diesen Kindern sagte einem hübschen Mädchen, von ungefähr zwölf Jahren, das neben uns auf der Gallerie stand, sie möge doch zum Löwen herunter kommen, und als diese sich weigerte, rief sie ihr zu: O Miß Betty, wir konnten dich nie bewegen zum Löwen herunter zu kommen, seitdem du mit meinem Bruder in der Dachkammer Versteckens gespielt hast.
Alsdann folgten wir einem Paare mit den Hochzeitsleuten, welche sich in eine andere Kirche begab. Die Dame, obgleich schon mit Jahren gesegnet, außerordentlich verwachsen und häßlich, war wie ein fünfzehnjähriges Mädchen geputzt, indem sie, wie ich glaubte, alle Ueberbleibsel des Flitterstaates von Tanten, Großmüttern und Gevatterinnen aus mehren Generationen, an ihrem Leibe zusammengehängt hatte. Einer meiner Nachbarn
Jonathan Swift übersetzt von Franz Kottenkamp: Ein sonderbarer Traum. Scheible, Rieger & Sattler, Stuttgart 1844, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_sonderbarer_Traum-Swift-1844.djvu/7&oldid=- (Version vom 31.7.2018)