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Walther Kabel: Eitel bis zum letzten Augenblick. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1911, Bd. 9, S. 208–211

Eitel bis zum letzten Augenblick. – Als am 6. Dezember 1741 durch eine von dem französischen Gesandten La Chétardie angezettelte Verschwörung die Herzogin Leopoldowna, die für ihren unmündigen Großneffen Iwan die Regentschaft in Rußland führte, gestürzt und Peters des Großen Tochter Elisabeth zur Kaiserin erhoben wurde, befand sich unter den aus Anlaß dieses Staatsstreiches zum Tode verurteilten früheren Anhängern der Herzogin auch Graf Weraschin, ein ebenso geistvoller und energischer wie eitler Mann. Die Verurteilten waren in ihren Kerkern aufs strengste bewacht worden und hatten keine Gelegenheit gehabt, sich irgendwelche Bequemlichkeiten zu verschaffen. Graf Weraschin, dessen Gesichtsfarbe durch die monatelange Gefangenschaft aschfahl geworden war, soll nun, wie der schwedische Gesandte Baron Lindström berichtet, der einzige der Todeskandidaten gewesen sein, der am Tage der Hinrichtung blühend frisch das Schafott betrat, während seine Leidensgefährten totenblaß auf dem Richtplatz erschienen. Er hatte im Gefängnis von der roten Ziegelmauer mit dem Deckel seiner goldenen Uhr, den er auch als Spiegel benützte, Ziegelmehl abgeschabt und sich damit in ebenso vollendeter Weise geschminkt, wie er dies früher mit den teuersten Pariser Schminken getan hatte. Bekanntlich wurden die Verurteilten dann sämtlich auf dem Schafott zur Verbannung nach Sibirien begnadigt.

Nicht minder eitel trotz seiner republikanischen Anschauungen war Danton, einer der hervorragendsten Führer der großen französischen Revolution, den Robespierre als unbequemsten Nebenbuhler später unter das Fallbeil zu bringen wußte. Auch Danton, der den Sitzungen des mordgierigen Revolutionstribunals stets mit tadellos geschminkten Wangen beigewohnt

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Walther Kabel: Eitel bis zum letzten Augenblick. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1911, Bd. 9, S. 208–211. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1911, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eitel_bis_zum_letzten_Augenblick.pdf/2&oldid=- (Version vom 31.7.2018)