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Adolphe D'Ennery, Gustave Lemoine: Herzmutterchen!

von uns, ahntest es nicht und nachdem ihr der Mutter gelobt hattet, mich zu lieben, mir zu gehorchen, betete sie – segnete uns und sprach: „Therese, sei Du ihre Mutter“, und sank auf ihr Kissen zurück. Nachdem ihr entfernt waret, und ich allein mit ihr, ihre letzten Worte auffing – murmelte sie mehrmals: „Ihr Vater, ihr würdiger Vater – Banquerott – sein ehrlicher Name verloren –!“ So starb sie.

Louise (schluchzend). Arme, arme Mutter!

Therese. Ja, ja, arme Mutter; denn sterbend nagte Verzweifelung und Entsetzen an ihrem Herzen. Doch ich hatte sie wohl verstanden. Auf meine Kniee warf ich mich vor ihr, die hienieden mich nicht mehr vernehmen konnte, für die mein Wort zum Himmel emporstieg. Ich schwor, wenn Gott mir Muth und Kraft verleihe, ihren letzten Gedanken zu erfüllen. Darauf begann ich das schwere Werk und in Stunden der Entmuthigung dachte ich mir: einst wird mir mein Bruder helfen! Und ich arbeitete getrost fort mit dieser Hoffnung – doch vergebens. – – Dennoch sank mir der Muth nicht, jeden Tag, jede Woche sah ich meinen Schatz sich vermehren und wenn ihr mich dann umringtet, ich Euch mit Inbrunst an mein Herz drückte – dann tönte es laut in meiner Brust: Mutter, sieh nur, wie ich mein Gelöbniss halte! Sie sind genährt, gekleidet, zärtlich geliebt und was noch mehr ist – bald wird ihr Name rein und fleckenlos sein! Da zählte ich freudig mein liebes Geld und schaute mit Wonne darauf hin! Ja, ich war habsüchtig, geizig, um Euch den Vaternamen zu erkaufen.

Isidor (der allmählig nüchtern geworden). Wie? Das war also –?

Therese (öffnet den Secretair und zeigt das Kästchen). Du wolltest dies Geld! Wohlan, nimm es! Es ist die Ehre Deiner Brüder, Deiner Schwestern – der ehrliche Name Deines Vaters, unser Aller Ehre. – Nimm sie und verspiele sie, verspiele sie, wenn Du den Muth hast.

Isidor (blickt die Chatoulle verwirrt an). Das Alles, Alles hast Du erworben? – Nun so mag mir Gott helfen, aber ich muss mein Theil daran haben! – (Nimmt den Kasten und läuft fort.)

Therese. Oh Himmel, was will er damit vornehmen!

Louise (im Hintergrunde). Isidor! Bruder! Isidor! Er hört nichts mehr! (Eilt zum Fenster) Dort biegt er um die Ecke.

Therese (sinkt auf einen Stuhl am Büreau). Der Unglückliche! – wird es verspielen!

Louise (verzweifelt). Schwester, Therese! Was hast Du gethan! –


SCENE XVII.

Therese. Emil (durch die Mitte eintretend). Louise.

Emil. Mein Gott, Mamsell Thereschen, was ist denn geschehen? Ich traf den Isidor an der Ecke – er war wie rasend und hielt Ihre Chatoulle im Arme. –

Louise (weinend). Ja – er hat meiner Schwester Geld geraubt!

Emil. Der Unglückliche! Und ich bin Schuld daran! –

Therese (steht auf.) Ihre Schuld?

Emil (ausser sich). Ja heut, Mamsell, sah er mich, als ich –

Therese. Was sagen Sie!

Emil (ausser sich). Ach ich hätte es Ihnen gewiss später gesagt – ich liebte Sie so sehr, Mamsellchen – ich hoffte immer und dachte mir – vielleicht kommt der Tag, wo sie darein willigt, meine Frau zu sein – dann hätte ich Ihnen Alles gestanden –

Therese. Was denn?

Emil. Sie hätten es mir verziehen –

Therese. Verziehen!

Emil. Doch jetzt, jetzt werden Sie es nimmermehr thun –

Therese. Um des Himmels Willen, reden Sie deutlich! (Arthur kommt.) Ach, Herr Arthur!


SCENE XVIII.

Vorige. Arthur.

Arthur (umarmt Louise). Louise!

Alle. Herr Arthur!

Arthur. Theure Louise, theilen Sie mein Entzücken, mein Vater willigt in unsere Verbindung! –

Therese. Ach!

Arthur. Ja, Therese, werthe Schwester, denn er kennt Sie! „Ich will nur Dein Glück!“ sagte er „am Gelde ist mir nichts gelegen, wenn Deine Zukünftige nur ehrlicher Leute Kind, und ihr Name fleckenlos ist – so billige ich Deine Wahl.“ –

(Beide Schwestern erschrecken.)

Therese. Das hat er gesagt?

Louise. Oh mein Gott!

Arthur. Aber was ist Ihnen? Weshalb diese Trauer, diese Thränen?

Therese. Herr Arthur, noch vor einer Stunde war Ihre Vermählung mit meiner Schwester mein heissester Wunsch – Doch jetzt –

Arthur. Jetzt?

Therese. Ist diese Heirath unmöglich!

Arthur. Unmöglich? Und weshalb? Mein Vater ist ja mit Allem einverstanden. –

Therese (ausser sich). Nein – denn Ihr Vater weiss nicht –


SCENE XIX.

Vorige. Isidor.

Isidor. Im Gegentheil, er weiss Alles und ist mit Allem zufrieden. –

Alle. Isidor!

Arthur. Sie haben meinen Vater gesehen. –

Isidor (sehr schnell). Das versteht sich! Ach, welch ein Goldmann; welch ein Biedermann! Welch musterhafter Präsident. Ich habe ihm mit zwei Worten Alles erzählt, wäre aber gar nicht nöthig gewesen, denn dieser Justizbeflissene hatte ihm schon Alles gesagt. (Zu Arthur) Also mein Schwesterchen liebten Sie? – Warten Sie nur, Herr Eheprokurator. – (Zu Theresen) Der Vater liebt und schätzt Dich. Ich habe ihm Deine Tugenden vorgezählt, – er hat mir Dein Geld vorgezählt. – Grosser Gott, ist denn das möglich, rief er einmal über das Andere aus! – Ja, sagte ich, es ist möglich! Dann kamen ihm die Thränen in die Augen – denke Dir, ein Präsident – Thränen – mir kamen sie auch in die Augen – wir heulten alle Beide, als ob uns der Bock stiesse und umarmten uns vor lauter Rührung. – (Zu Theresen) Er kennt den Syndikus von Orleans und wird die Angelegenheit unseres Vaters mit ihm in Ordnung bringen. (Zu Louise) Dir kauft er einen neuen Flügel aus unserem Atelier – er ist glücklich – ich bin glücklich – wir sind glücklich – Ihr seid glücklich – Er segnet Euch – ich segne Euch auch! – Vivat! (Singt überlaut)

O schöner Tag, o Tag der Freude.

Empfohlene Zitierweise:
Adolphe D'Ennery, Gustave Lemoine: Herzmutterchen!. Druck und Verlag von A.W. Hayn, Berlin 1847, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ennery_Lemoine_Herzmutterchen_1847.pdf/10&oldid=- (Version vom 12.6.2023)