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Adolphe D'Ennery, Gustave Lemoine: Herzmutterchen!

des Elends verwandeln würde? Nein, Arthur, nein! Sie wird, sie darf Ihnen nur eine treue, ergebene Schwester sein, damit der Tag komme, wo sie Ihnen zurufen kann: Unsere Louise ist glücklich, mein Freund, wir haben unsere Pflicht erfüllt!

Arthur. Therese!

Therese. So würde sie zu Ihnen sprechen – wäre sie hier. – Denn so hätte – ich geredet – wenn ich es wäre, die Sie liebten. –

Arthur. Ach, wenn ich Ihnen in’s Auge schaue, habe ich nur einen Willen, nur ein Streben – das Ihre! –

Therese. Sie werden Ihr Gelübde nicht brechen? –

Arthur. Nein, das gelobe ich Ihnen! Augenblicklich eile ich zu meinem Vater. Vor ihm knieend werde ich ihm mein Unrecht bekennen – er wird meine Reue sehen, wenn ich ihm sage: „Vater, gieb sie mir, auf dass sie mir vergebe! Vater, gieb sie mir, auf dass ich glücklich sei!“

Therese. So eilen Sie und Gott segne Ihr Beginnen. (Arthur ab. Mit einem Blick auf das Bild der Mutter) Bist Du nun mit Deiner Tochter zufrieden? (Nach einer kurzen Pause geht sie zur Seitenthür.)


SCENE XV.

Therese. Louise.

Therese. Louise! Komm, meine Louise!

Louise (zitternd). Nun, Schwester?

Therese. Weg mit der Trauer, weg mit den Thränen! Er liebt Dich, liebt Dich mehr als je! –

Louise. Aber jene Heirath? –

Therese. Du warst ja damit gemeint! Du wirst seine Gattin, sag’ ich Dir und jetzt in diesem Augenblick holt er die Einwilligung seines Vaters ein. –

Louise. Wäre es möglich? Ach! ich bin glücklich, ich bin selig. Theure Herzensschwester, wie vielen Dank bin ich Dir schuldig. (Umarmt sie.)

Therese (bedeutungsvoll). Ja, ach ja, komm an dies Herz. (Umarmung. Isidor singt draussen.)

Louise. Da kommt Isidor!

Therese. Den hatte ich ganz vergessen.


SCENE XVI.

Vorige. Isidor.

Isidor (etwas betrunken). Aha, da sind Leute! – Guten Tag Ihr Lämmerchen! –

Louise (bei Seite zu Theresen). Mein Gott, was ist ihm denn?

Therese (bei Seite). Muth und Festigkeit! (Geht zur Thür, schliesst und zieht den Schlüssel ab.)

Isidor. Oho! Warum schliesst Du uns denn ein? –

Therese (setzt sich an den Tisch). Wahrscheinlich, weil ich nicht will, dass Du wieder fortgehest.

Isidor. Weil Du nicht willst? Ei sieh’ mal Einer! Bitte ergebenst! Wollen die Prinzessin wohl ihrem unterthänigen Knecht mittheilen, warum ich in Arrest gesetzt werden soll?

Therese (fortarbeitend). Weil Du Dein Wort nicht gehalten, – weil Du wieder mit Rabourdin zusammen warst, weil Du wieder zu ihm willst und ich es nicht gestatte.

Isidor. Dummes Zeug – wer hat das geklatscht? Ach, wahrscheinlich Herr Cato der Jüngere – dem werde ich nächstens einmal auf den Kopf kommen! Ich bin nur hier, um Dir ein Wort zu sagen und dann wieder zu gehen. – (Schreiend) Habe anderweitig Beschäftigungen.

Therese. Ich sage Dir, Du bleibst, also wirst Du bleiben.

Louise. Schwester, nimm Dich in Acht!

Isidor. Schön – sehr schön. – Ich soll mich also wieder in die Windeln begeben, mich zu einem Wickelkinde herabwürdigen lassen? – Dürft’ ich wohl um einen Fallhut bitten, ein Paar Laufbänder, einen Lutschbeutel – Donnerwetter, so lasse ich mir nicht kommen.

Ich bin kein Jüngling mehr an Jahren,
Sondern bin bald majorenn. (Joseph in Egypten.)

Und nun aufgemacht, wenn ich bitten darf! – Was, keine Antwort? – (Schreit) Aufgemacht! Man erwartet mich.–

Therese. Nicht wahr, Dein Rabourdin?

Isidor (dessen Aerger ausbricht). Nun ja! Endlich wird’s doch auch zu bunt! Ja, der Rabourdin wartet – mein guter Freund, mein treuer Gefährte! Rabourdin, der mein Glück machen will!

Therese. Durch Kartenspiel?

Isidor. Warum denn nicht? Das ist ja leichter, als arbeiten. Willst Du mir jetzt aufmachen? Eins – Zwei – Wenn Drei kommt, begiebt sich die Thüre auseinander, dafür bin ich Instrumentenmacher! –

Louise (geht ängstlich zu ihm). Bruder, aber Bruder!

Isidor. Alles stumm und taub? Desto schlimmer! Also Eins, Zwei, Drei (stösst mit einem Fusstritt die Thüre auf.).

Louise (flieht zu Theresen, die wie versteinert ist). Oh Gott!

Isidor. Dieses wäre besorgt und kostet Schlosserarbeit – Jetzt heisst es:

Der Weg nach Altdorf ist nun frei
Folgt Freunde mir! (Wilhelm Tell.)

(Kehrt an der Thür um.)
Aber das ist noch nicht Alles, ich brauche Geld und habe nichts. Du hast Geld und wirst mir welches geben. –

Therese. Ich? (Geht zum Secretair und legt Noten hinauf.)

Isidor. Oh, Rabourdin hat mich erst darauf aufmerksam gemacht, dass wenn Du Geld geerbt hast, mir mein Antheil davon zukommt!

Louise (zu Theresen). Was sagt er da?

Therese (ruhig mit Louisen vorgehend). Du bist wahnsinnig! Ich habe kein Geld!

Isidor. Du hast Geld – sehr viel Geld! Aber ich bin grossmüthig – ich will nur etwas haben und lass Dir das Uebrige.

Therese. Ich sage Dir’s, Du irrst Dich. –

Isidor. Ich mich irren? Um das zu beweisen, sag’ ich Dir, da (auf den Secretair zeigend) da ist es verborgen!

Therese (stürzt zum Secretair). Halt ein – Unglücklicher!

Isidor. Ich wusste es wohl – Aha, Du Verstockte!

Therese. So wisse – ja! Dort ist Geld, Geld, das ich in 4 Jahren der Arbeit und der Entbehrung erspart, mit unsäglicher Mühe gesammelt und bewahrt – seit jenem Tage, wo unsere edle Mutter starb. –

Louise und Isidor. Unsere Mutter?! –

Therese (sanft und wehmüthig). Seit jenem Tage, wo sie Euch Alle noch einmal sehen wollte und mir sagte: „Therese – ich fühle es, meine Kräfte schwinden – bring’ wir die Kinder!“ Ich führte Euch, die Ihr nicht ahntet, welch Verlust Eurer harrte, zu ihr. Du selbst, Isidor, der Aelteste

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Adolphe D'Ennery, Gustave Lemoine: Herzmutterchen!. Druck und Verlag von A.W. Hayn, Berlin 1847, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ennery_Lemoine_Herzmutterchen_1847.pdf/9&oldid=- (Version vom 23.6.2023)