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Adolphe D'Ennery, Gustave Lemoine: Herzmutterchen!

Louise (bittend). Oh Schwester! Therese! meine Schwester!

Therese (stösst sie zurück). Lass mich, lass mich. –


SCENE XII.

Vorige. Emil (geputzt).

Emil (sehr bestürzt). Mamsell Thereschen!

Therese. Was wollen Sie? Was giebt’s?

Emil. Mein Gott, Mamsellchen, was fehlt Ihnen! Was ist Ihnen!

Therese. Nichts. – Gar nichts – aber was wünschen Sie? –

Emil (verwirrt). Verzeihung, Mamsell Thereschen – ich habe den Isidor gesehen –

Therese (ungeduldig). Nun – was weiter? Kommen Sie doch zur Sache!

Emil (sehr verwirrt). Und einen Andern, der sagte ihm: es ist nicht meine Schuld, ich bin wie Du betrogen worden – aber komm nur heut Abend, da soll die Parthie hitzig werden – da wollen wir unsern Schaden schon wieder einbringen!

Therese. Der Unglückliche – spielt – entehrt sich –

Emil. Dann zog er ihn mit sich fort bis zum nächsten Kaffeehaus –

Therese. Aber wer – wer denn? –

Emil. Rabourdin, Mamsell Thereschen, habe ich das denn noch nicht gesagt?! –

Therese (heftig). Rabourdin! Sein Verführer! – Er hat ihn wiedergesehen – mich also betrogen! – Auch er! – Nicht genug, dass seine Schwester –

Emil. Was?

Therese. Nun muss auch noch der Bruder –

Emil. Was denn? Mamsell Louischen? –

Louise (niederknieend). Schwester, ach beste Schwester, vergieb mir. –

Emil. Ach Mamsell Thereschen, ich weiss zwar nicht, warum es sich handelt, wessen sie sich schuldig gemacht. Aber sehen Sie nur ihre Thränen, wie sie fleht und bittet. Wenn man einmal Mutter ist, muss man nachsichtig sein. (Er zeigt auf das Bild.) Sie übte die süsse Pflicht des Verzeihens. –

Therese. Oh Mutter! Mutter! – (breitet die Arme aus.) Louise!

Louise (die Emil aufhebt). Schwester!

Therese (drückt sie an sich). Kind! Mein Kind!

Emil (bei Seite, weinend). Ihr Kind! Welch ein Mutterherz! Glücklich, das Kind, das sie einst in ihren Armen wiegen wird! – (Seufzend) Ach – wenn ich! – (Es schlägt drei Uhr.)

Louise. Oh Gott! Drei Uhr!

Therese. Was ist Dir?

Louise. Er wird kommen!

Therese. Er!

Louise. Er sagte es mir vorhin, als Du es nicht hörtest.

Therese. So werde ich ihn empfangen! –

Louise. Du?

Therese. Er darf Dich jetzt nicht sehen. Emil, führen Sie sie durch die Hintertreppe in Ihre Wohnung, – dort kann sie Ihnen Alles erklären – jetzt eilen Sie nur.

Emil. Ja, ja, Mamsellchen! Sollten Sie Isidor sehen – dann –

Therese. Vertrauen Sie mir! Nicht vergebens riefen Sie mir meine Pflichten in die Seele; – (Auf das Bild deutend) ich werde sie in ihrem Sinne üben. (Emil und Louise gehen ab.)


SCENE XIII.

Therese allein.

Er wird kommen! – Welche Prüfung! – Oh Mutter, verleihe Du mir Worte, Gedanken, ihn zu bewegen – besonders aber – stähle meinen Much. – Lass diese Thränen die letzten sein, die er verursacht. Er kommt! –


SCENE XIV.

Therese. Arthur.

Arthur (legt im Hintergrunde den Hut ab, bei Seite). Louise! – Sie ist hier geblieben! – (Laut) Beste Louise, wie innig danke ich Ihnen – (Therese steht lächelnd auf.) Himmel! Therese!

Therese (sanft). Ja; ich bin’s Herr Arthur. Aber warum macht Sie das verlegen! Louise hat mir Alles vertraut.

Arthur. Ihnen?

Therese. Allerdings! Soll man vor einer Mutter Geheimnisse haben? – Doch seien Sie unbesorgt – (lächelnd) ich bin eine nachsichtige Mutter! –

Arthur. Mademoiselle Louise hat Ihnen also gestanden –

Therese. Dass Sie ihr geschworen, sie stets zu lieben – dass sie an Ihre Schwüre geglaubt. – Und sie kamen doch auch aus dem Grunde Ihres Herzens. Nicht wahr!

Arthur. Ja, Therese, ich liebte Ihre Schwester von ganzer Seele bis zu dem Tage, wo eine Andere –

Therese. Eine Andere?

Arthur. Die ich zuvor nicht gekannt. – Doch, vergeblich wollte mein Herz der Bewunderung, der Liebe widerstehen, die sie so einfach, so edel in ihrer erbabenen Aufopferung ihm abzwang. Und diese Andere – ist –

Therese (lebhaft). Halten Sie ein, mein Herr! Ich kann, ich will sie nicht kennen! –

Arthur. Aber –

Therese. Nein, ach nein! Sie können sie nicht mehr als Louise lieben! Sie sind ein Ehrenmann, Herr Arthur, wenn Sie gesehen, wie tief Ihr langes Schweigen sie verletzt, wenn Sie die Thränen ahnten, die Ihr Betragen ihrem Herzen erpresst! Wenn Sie die Verzweifelung, die Zerstörung kennten, die Ihr Treubruch erzeugen würde –

Arthur (warm). Arme Louise!

Therese. Wer könnte würdiger sein, Ihre Gattin zu werden, einen Weg mit Ihnen durch’s Leben zu wandeln, über Ihr Wohl zu wachen, als Louise! Jene, die Sie zu lieben wähnen –

Arthur. Therese!

Therese. Jener kann unmöglich Louisens Liebreiz und gefälliges Wesen inne wohnen! – Sie ist vielleicht nur ein armes Mädchen ohne Erziehung, ohne Talente, wie ich, deren Geist nicht, wie der meiner Schwester, gebildet und entwickelt worden. Auf mein Kind kann Ihre Familie stolz sein; als Ihr Weib kann sie Sie nur beglücken, denn sie liebt Sie so innig. –

Arthur. Therese, ich hoffte aber die Liebe jener Anderen zu erringen, aus ihren Blicken glaubte ich zu lesen – dass sie mich dereinst vielleicht lieben würde.

Therese. Und wenn diese nun wirklich von Ihrer Sorgfalt gerührt worden, könnte sie ein Herz annehmen, das eine Andere schon besessen? Schwüren glauben, die Sie um ihretwillen einer Anderen gebrochen? Müsste sie nicht eine Liebe zurückweisen, die einer Anderen Leben in eine lange Nacht

Empfohlene Zitierweise:
Adolphe D'Ennery, Gustave Lemoine: Herzmutterchen!. Druck und Verlag von A.W. Hayn, Berlin 1847, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ennery_Lemoine_Herzmutterchen_1847.pdf/8&oldid=- (Version vom 12.6.2023)