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Adolphe D'Ennery, Gustave Lemoine: Herzmutterchen!

Therese (zu Benjamin). Putze Dich recht, mir zu Ehren! (Sie gehen.)

Isidor (bei Seite vorn). Nimm Dich in Acht, Hallunke von Rabourdin.

Arthur. So sage ich Ihnen denn Lebewohl! (bei Louise vorübergehend leise) Um 3 Uhr bin ich wieder hier, Sie gehen nicht mit. (Er geht, Therese begleitet ihn.)


SCENE X.

Louise. Isidor. Therese.

Isidor (bei Seite). Bei alle dem bin ich noch immer ohne Geld. – Wie soll ich aber mein gegebenes Wort halten? – Sollte ich unsere Mutter bitten – da müsste ich ihr ja sagen, dass ich gespielt, dass ich den Galgenstrick wieder gesehen – nein – auf keinen Fall – ich werde schon auf ein anderes Mittel fallen. (Will gehen.)

Therese (hält ihn fest). Wohin willst Du?

Isidor. Ich habe Geschäfte – man hat mir ein Clavier angeboten.

Therese. Arbeit? ... desto besser! – aber erst sag’ mir mal – (nimmt ihn bei Seite) was sprachst Du denn vorhin mit Herrn Arthur? (Louise horcht.)

Isidor. Mit Herrn Arthur?

Therese. Ja wohl – so eben? –

Isidor. Ach dummes Zeug! (Er will gehen.)

Therese. Aber so bleibe doch! erzähle mir erst, was es war? –

Isidor. Dummheiten sag’ ich Dir, Dummheiten, die Euch Frauenzimmer gar nichts angehen und wie sie bei jungen Männern öfter vorkommen.

Therese (nimmt ihn beim Arm). Aber ich bitte Dich doch.

Louise (nimmt den anderen Arm). Ach ja, sag es uns doch, lieber Bruder!

Isidor. Oh Neugier, Neugier, Dein Name ist Frauenzimmer!

Therese. So sprich doch! (ungeduldig) Nun will ich es! Nun wirst Du reden!

Louise. Also –

Isidor. Also! – Wollt Ihr mich aber auch nicht verrathen? Um Liebesgeschichten handelt es sich – er wird wohl heirathen – (Beide lassen plötzlich den Arm los.)

Therese (bei Seite). Heirathen?

Louise (bei Seite). Er könnte?

Isidor. Na, seid Ihr nun zufrieden, bin ich jetzt frei, darf ich gehen? (bei Seite, krempt den Aermel auf) Jetzt Rabourdin, jetzt wollen wir ein Wörtchen plaudern.

(Maurer)

Angefasst, ohne Rast,
Nur tüchtig zugeschlagen. (Ab.)


SCENE XI.

Louise. Therese.

Louise (sinkt in den Lehnstuhl beim Secretair und drückt die Hand auf’s Herz). Oh, mir bleibt nur eine Hoffnung – der Tod! –

Therese (läuft zur Schwester). Louise! Mein Gott, was ist Dir? Louise! – Herzenskind – antworte doch! –

Louise (weinend). Ach Schwester, ich bin zu unglücklich! –

Therese. Unglücklich! Jetzt aber nicht mehr, nicht wahr? Jetzt da Du bei mir bist? Jetzt wirst Da mir Alles vertrauen?

Louise. Das kann ich gar nicht wagen!

Therese (setzt sich neben sie, zärtlich). Louise! Bin ich denn nicht Deine Schwester, Deine beste Freundin? Sonst theiltest Du mir alle Deine Sorgen mit, sonst konnte ich Deine Thränen trocknen .... bin ich denn nicht mehr Dein liebes Mutterchen? –

Louise. Oh immer, immer. – Du sollst ja auch Alles wissen!

Therese (rückt näher). So sprich – rede ohne Furcht – schütte allen Kummer in mein Herz.

Louise. In jenem Schloss, wohin ich fast gegen Deinen Willen gegangen, folgte ein Fest, eine Lustbarkeit der anderen. Ich wohnte ihnen bei, ohne sie zu theilen. Niemand achtete auf mich! – Eines Abends war Ball – aus dem verborgensten Winkel des Saales sah ich alle diese glücklichen, heiteren Mädchen tanzen, und fühlte wider Willen Neid in meiner Seele! – Nicht ihrer Schönheit, nicht ihres Geldes wegen, ach nein! – Aber sie hatten Freunde, Verwandte, Eltern, – und ich war allein, so ganz einsam! –

Therese. Oh ich verstehe, ich begreife Dich!

Louise. Inmitten meiner trübsten, düstersten Gedanken, flüsterte eine Stimme an mein Ohr – man lud mich zum Tanz.

Therese. Es war ein junger Mann! –

Louise. Ich war so verwirrt, so bewegt! – Ich weiss nicht, was ich ihm erwiderte – er ergriff meine Hand – doch da ich gezögert; hatten sich die Paare bereits aufgestellt – und wir fanden nirgends Platz. – Nachdem er mich auf meinen vorigen Sitz geführt, begann er ein Gespräch mit mir und blieb den ganzen Abend in meiner Nähe. – Von diesem Tage an fühlte ich mich nicht mehr allein – vergessen. – Er war aber auch so freundlich, so theilnehmend, so besorgt. Erst sprach er nur von Freundschaft und später – (schüchtern) von –

Therese. Von Liebe! Nicht wahr?

Louise. Wie konnte ich dem süssen Laute seiner Worte, die sich mit magischer Kraft in mein Herz stahlen, widerstehen? Schwester, ich glaubte und liebte!

Therese. Dann sprach er wohl über Eure Heirath?

Louise. Oh, er sagte mir viel mehr; wie er mich anbete, mich verehrte und flehte mich an, diesen Ring zu nehmen –

Therese. Den Du nie hättest behalten sollen!

Louise. Der Tag der Trennung nahte – er reiste ab. – Erst waren seine Briefe glühend und feurig – später kälter und kälter – während die Meinen –

Therese. Du hast ihm geantwortet? Wie unbesonnen!

Louise. Seit einem Monat blieben sie ganz aus; – da drang Verzweiflung in meine Brust. – Ich verliess den Schauplatz meiner stillen Seligkeit, meiner unnennbaren Qual, eilte zu Dir, Therese, von schwacher Hoffnung geleitet – doch jetzt ist Alles vorbei! (steht auf) Er hat mich vergessen, er liebt mich nicht mehr! –

Therese (rasch aufstehend). Unmöglich! Dich nicht lieben, Dich, so jung, so reizend, so lieblich! Oh nein, er hat Dich nicht vergessen!

Louise. Mit seiner Liebe erstirbt mein Leben!

Therese. Sterben, Du würdest sterben? Nein ich will zu ihm eilen – mit ihm reden – ihn bitten – da Du ihm schriebst, weisst Du seine Wohnung? –

Louise. Du kennst ihn ja!

Therese. Ich? – Wer – wer könnte es denn sein? –

Louise (birgt ihren Kopf an ihren Busen). Es ist – Herr Arthur!

Therese (zurücktretend). Arthur! Unglückliche! –

Empfohlene Zitierweise:
Adolphe D'Ennery, Gustave Lemoine: Herzmutterchen!. Druck und Verlag von A.W. Hayn, Berlin 1847, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ennery_Lemoine_Herzmutterchen_1847.pdf/7&oldid=- (Version vom 11.6.2023)