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Walther Kabel: Fehler, die nicht vorkommen sollten. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1911, Bd. 8, S. 238–240

ließ er sehr bald neue Banknoten für größere Beträge drucken, die sein Bild in vollem Schmucke der kaiserlichen Insignien zeigten. Diese Banknoten sollten auch eine Strafandrohung gegen die Fälscher enthalten. Der Kupferstecher, der die Platte für die Hundertfrankenbanknoten herstellen sollte, schmuggelte nun in den Hermelinbesatz des Kaisermantels ganz unauffällig die Worte ein: „L’empereur est mort, vive la république! – Der Kaiser ist tot, es lebe die Republik!“ Diese Worte waren so geschickt zwischen Strichen und Pünktchen der Zeichnung verborgen, daß die Prüfungskommission sie übersah, ebenso wie das „non!“, das der Kupferstecher der Strafandrohung hinzugefügt hatte, wodurch der Sinn der Sätze in das gerade Gegenteil verwandelt wurde.

Nachdem die erste Serie dieser Scheine längst ausgegeben worden war, entdeckte ein Beamter der Bank de Lyon in Paris zuerst diese Verhunzungen, als er mit einer Lupe die Banknote aus Fachinteresse genau besichtigte. Sofort begann eine heimliche Jagd nach den Scheinen, deren Aufdruck so staatsgefährliche Zusätze enthielt. Die ganze Polizei wurde aufgeboten, um die einzelnen Stücke wieder in Besitz der französischen Staatsdruckerei zu bringen. Napoleon selbst, dem man von dem frechen Streich des Kupferstechers Nachricht gegeben hatte, soll außer sich gewesen sein.

Die sofort eingeleitete Untersuchung ergab, daß der betreffende Kupferstecher ein begeisterter Republikaner war und auf diese Weise das Kaisertum zu verhöhnen versucht hatte. Doch der Schuldige konnte nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden, da er längst nach England geflüchtet war.

Trotz aller Bemühungen gelang es nicht, sämtliche Banknoten jener Serie zurückzuerhalten. Zweiunddreißig Exemplare blieben verschwunden. Sie befinden sich heute im Besitze von Sammlern, und ihr Idealwert ist durch ihre Seltenheit fast unschätzbar.

Die fortan unter Napoleons III. Regierung ausgegebenen Scheine zeigten natürlich einen völlig anderen Entwurf als die in Sammlerkreisen mit „Non-Scheinen“ bezeichneten.

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Fehler, die nicht vorkommen sollten. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1911, Bd. 8, S. 238–240. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1911, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fehler,_die_nicht_vorkommen_sollten.pdf/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)