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Gabe an ihn. Nach 1, 12 scheint der Gemeinde zu Ohren gekommen zu sein, daß eine Wendung in des gefangenen Apostels Lage eingetreten sei, indem jetzt die gerichtliche Verhandlung über seine Sache eröffnet worden wäre, ein Umstand, welcher der relativen Freiheit der Bewegung, die er bisher genoß, ein Ende machen mußte. Dies war ja nicht anders zu erwarten; aber doch erschreckte die Thatsache an und für sich selber die Philipper und machte sie besorgt. Zur Beunruhigung wegen der Lage des Apostels gesellte sich noch die Sorge um das Leben ihres Abgesandten, der in Rom von schwerer Krankheit betroffen worden war. Aber die Lage der Verhältnisse gibt vielmehr Anlaß zur Freude, als zu ängstlicher Sorge, der Apostel eilt, der Gemeinde dies kund zu thun; zugleich will er ihr seinen Dank für die übersandte Gabe und bewiesene Teilnahme aussprechen. So bezeugt er denn der Gemeinde durch ein besonderes Sendschreiben seinen Dank und seine Freude über ihre Liebe. Der Brief, in welchem dies geschieht, ist der, mit dem wir es zu thun haben.

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 Sein Zweck ist demnach der persönlicher Danksagung, wie denn diese am Anfang (1, 5), in der Mitte (2, 30) und am Ende (4, 14–18) wiederkehrt. Diesen Zweck sucht der Apostel damit zu erreichen, daß er die Gemeinde, so viel an ihm liegt, fröhlich macht. Der ganze Brief ist Ausdruck der Freude und Aufforderung zur Freude. Er sagt ihnen zuerst von seinen gegenwärtigen Verhältnissen, was sie erfreuen kann, (1, 12–18) und spricht die gewisse Hoffnung auf Befreiung und Wiedersehen aus (v. 19–26), wenn auch die Gestaltung der Verhältnisse selber noch nichts Sicheres (c. 2, 23) erkennen läßt, dann tröstet er sie in ihrer mannigfachen Bekümmernis (1, 27 ff., 4, 6 ff.), insonderheit wegen Epaphroditus, der in Rom todkrank geworden, nun aber wieder genesen ist (2, 25–30). Zudem aber fordert er die Gemeinde auf, nun auch ihm seine Freude an ihr voll zu machen. Dies geschieht, wenn sie das, was an ihr noch unvollkommen ist, überwindet, d. i. wenn sie alle Uneinigkeit in ihrer Mitte durch demutsvolle gegenseitige Selbstverleugnung in brüderliche Einigkeit wandelt (2, 1–16), und wenn sie die Gefahren meidet und kräftig besiegt, welche teils judaistische Irrlehrer (3, 1–16), teils das Exempel des heidnischen Lebenswandels entarteter Christen (3, 18–4, 1) ihr bringen. – So ist denn Ton und Haltung dieses