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Nachdruck lege, sei dies, daß dabei doch immer der richtige Ritus eingehalten werde. Wenn derselbe nun als mosaischer, d. h. göttlich verordneter, gegolten hätte, so hätten sich die Propheten nicht so wegwerfend darüber äußern können. Aber die von W. angeführten prophet. Stellen Amos 4, 4 etc., Hos. 8, 1 etc., Jes. 1, Micha 6, 6, Jer. 7, 21 etc. reden gar nicht vom Ritual, sondern vom Opfer überhaupt. Sie wollen vom Opfer Israels überhaupt nichts wissen, nämlich vom Opfer, das nicht in rechter Gesinnung gebracht wird. Mit einem Schein von Recht könnte einer daraus schließen, daß Gott überhaupt kein Opfer geboten habe, nimmermehr aber, daß kein bestimmtes Ritual verordnet gewesen wäre; denn vom Ritual ist eben nicht die Rede. Übrigens verkennt W. ganz die innere Notwendigkeit eines Rituals auf alttestamentlichem Boden. Die Zeit des alten Testaments war eine Zeit der Erziehung. Für diese gibt es in der ganzen Welt feste Normen, an die der Zögling sich zu halten hat.

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 Der Priesterkodex ist nach W. ferner deswegen der späteste Bestandteil des Gesetzes, weil in ihm die Einzigkeit des gottesdienstlichen Ortes als etwas Selbstverständliches erscheine. Das Deuteronomium, sagt er, entstammt der Reformbewegung zu gunsten der Centralisation des Kultus, welche unter Josia zum Sieg gelangt ist; es steht in dieser Hinsicht im Gegensatz zur jehov. Gesetzgebung, welche eine Vielheit heiliger Orte kennt. Was aber im Deuteronomium sich erst noch durchkämpfen will, hat der Priesterkodex bereits als vollendete Thatsache vor sich. Die Einzigkeit des gottesdienstlichen Ortes ist ihm etwas Selbstverständliches, das einer besonderen Betonung gar nicht mehr bedarf. Dieser Gang der Dinge lasse sich auch in der Geschichte nachweisen. – W. beruft sich besonders auf Ex. 20, 24: „an jedem Ort, wo ich meines Namens Gedächtnis stiften werde, will ich zu Dir kommen und Dich segnen.“ Der Spruch ist eine Verheißung. Er enthält die Zusicherung der Gebetserhörung für jeden Ort, den der Herr für seinen Dienst ausersehen hat. Der HErr ist zwar fern von ihnen, im Himmel; aber wie der Himmel die Erde allenthalben umgibt, so kann auch er ihnen an jedem Ort, wo er will, nahe sein. Das ist die eine Lehre, die diese Stelle für Israel enthält; und die andere: daß es bei der Verehrung ihres Gottes nicht auf ihre gute Meinung ankäme, daß sie nicht jeden Ort, der ihnen gefiele, zu einer Stätte der Gottesverehrung machen dürften (wie sie hernach Hosea 10, 1 thaten), sondern sie müßten sich die Stätten der Verehrung von Gott geben lassen. Darin liegt doch wohl mehr als nur dies, daß damit die „Freiheit, überall zu opfern, etwas eingeschränkt werde“. Jene Freiheit existiert für Israel überhaupt nicht. Es kennt aber auch schon die jehov. Gesetzgebung die Centralisation der Gottesverehrung. Wenn es Ex. 23, 17 heißt: „Dreimal im Jahr sollen erscheinen vor dem HErrn dem Herrscher alle Deine Mannsbilder,“ so muß doch ein einzelner Ort vorhanden sein, wo sie ihrem Gott ihre Huldigung bezeigen, wie es denn auch v. 19 heißt: Die Erstlinge Deiner Früchte sollst Du in das „Haus“ des HErrn, Deines Gottes bringen. Über allen Zweifel aber wird dieser Verstand der Verordnung erhoben durch Ex. 34, 24. Hier wird Israel beruhigt über die möglichen