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oder den Aufenthalt gestatten; 261 wir aber nehmen, obwohl wir die Nachahmung fremder Sitten verschmähen, dennoch mit Freuden alle auf, die sich den unseren anschliessen wollen. Das ist doch sicherlich, sollt’ ich meinen, ein Zeichen von Menschenfreundlichkeit und Grossmut.

(37.) 262 Doch genug von den Lakedaemoniern. Wie aber die Athener, die sich ja laut rühmen, dass ihre Stadt jedermann offen stehe, in diesem Punkte dachten, davon hat Apollonios gleichfalls keine Ahnung. Dass sie z.B. jeden, der auch nur ein Wort gegen ihre Gesetze verlauten liess, unerbittlich bestraften, ist ihm unbekannt. 263 Weshalb denn sonst hat Sokrates sterben müssen? Er hatte ja weder die Stadt den Feinden verraten noch einen Tempel beraubt, sondern weil er neue Eide schwur und – sei es im Ernst oder, wie manche glauben, scherzweise – behauptete, ein gewisses Daimonion mache ihm Offenbarungen, darum wurde er verurteilt, den tödlichen Schierlingssaft zu trinken; 264 auch beschuldigte ihn sein Ankläger, er verderbe die Jugend, indem er sie anleite, die heimische Verfassung und die Gesetze zu verachten. Nun hat Sokrates als athenischer Bürger diese Strafe erlitten; 265 Anaxagoras dagegen war aus Klazomenae, und doch wäre er, weil er dem Glauben der Athener, die Sonne sei ein Gott, entgegentrat und das Gestirn für eine glühende Masse erklärte, beinahe zum Tode verurteilt worden, denn nur wenige Stimmen fehlten. 266 Auf den Kopf des Meliers Diagoras setzten sie den Preis von einem Talent, weil es hiess, er mache ihre Mysterien lächerlich. Auch Protagoras entging nur durch schleunige Flucht der Gefahr, verhaftet und hingerichtet zu werden; er sollte eine Schrift verfasst haben, deren Inhalt sich mit den Ansichten der Athener über die Gottheit nicht deckte. 267 Kann es übrigens wunder nehmen, dass sie in dieser Weise gegen hochangesehene Männer verfuhren, wenn sie nicht einmal Weibern gegenüber Schonung walten liessen? Haben sie doch erst neulich eine Priesterin[1]

Empfohlene Zitierweise:
Flavius Josephus: Des Flavius Josephus Selbstbiographie, Gegen Apion. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1900, Seite 191. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosApionVitaMakkGermanClementz.djvu/191&oldid=- (Version vom 4.8.2020)
  1. Gemeint ist die Priesterin Theoris (Plutarch. Demosth. 14f.).