Nr. 22. | Beiblatt zu den Fränkischen Blättern. | 1848. |
Pianist gehört zu dem Geschlechte der Zugvögel und hat nirgend eine bleibende Stätte. Er baut sein Nest in glänzenden Privatzirkeln oder in Concertsälen, wenn er bleich ist und langes schwarzes Haar trägt, auch in den Herzen der Damen. Mit den Dieben hat er lange Finger gemein. Seine Phantasie nährt er mit Opernmelodieen, sich selbst mit Ruhm und Ehre, die ihm oft theuer genug zu stehen kommen. Die einzige Aufgabe seines Lebens ist, sich selbst zu übertreffen, was ihm indeß selten gelingt. In’s Deutsche übersetzt heißt er Pianofortesaiten-Zertrümmerer. Er stirbt mit dem Bewußtsein, den ruhigen Lauf der Weltgeschichte nicht gestört zu haben.
Quacksalber nennt man Jeden, der die Arzneiwissenschaften ausübt, ohne dazu befugt zu sein. Die graduirten und promovirten Aerzte indeß können ihre Kranken beliebig, wie sie wollen und wodurch sie wollen, unter die Erde bringen. Das kommt daher, weil ihre Kranken oft bei ihnen in Rest bleiben und die Aerzte sich dann für befugt halten, ihnen den Rest zu geben. Der letzte Ausdruck schlägt immer in das medizinische Fach. Eine Abart davon ist der politische Quacksalber, welcher in Deutschland in der Paulskirche zu Frankfurt nistet, Reden, Interpellationen, Kaiser, Reichsverweser, Waffenstillstände und Polizeimaßregeln ausbrütet, von Zeitungen, Beifall der Tribüne und seinen Diäten lebt und mit dem Troste von hinnen fährt, die Republik nicht gesehen zu haben.
Reichsversammlung ist das Einzige, worüber gegenwärtig in Deutschland nichts gedacht, gesprochen, geschrieben und gedruckt werden darf, bei Strafe. Wir begnügen uns daher, dem geneigten und ungeneigten Leser die naturgetreue Abbildung eines sogenannten parlamentarischen Streites zu geben und bemerken nur, daß der Mann im langen Barte die Eigenthümlichkeit hat, auf bloßer Erde zu schlafen und sich mit der Stubenthür zuzudecken. Die Figur im Hintergrunde ist ein bekannter Abgeordneter, welcher eben darüber nachdenkt, ob er beim Murmeln bleiben oder einmal eine Rede halten soll. – Auf den Grabstein der Reichsversammlung wird man einst eine Garbe ohne Aehren legen, zum Zeichen, daß sie viel leeres Stroh gedroschen.
Eduard Kauffer (Red.): Der Nürnberger Trichter. Friedrich Campe, Nürnberg 1848, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fr%C3%A4nkische_Bl%C3%A4tter_nebst_dem_Beiblatt_Der_N%C3%BCrnberger_Trichter.djvu/185&oldid=- (Version vom 31.7.2018)