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Seite:Fränkische Blätter nebst dem Beiblatt Der Nürnberger Trichter.djvu/186

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Russe wird im gewöhnlichen Leben ein europäischer Mensch genannt, welcher die Ehre hat, Unterthan Sr. Majestät des Kaisers und Selbstherrschers aller Reussen zu sein. In Sibirien fängt er Zobel, in den Salzbergwerken Grillen. Die Liebe zum angestammten Herrscherhause wird ihm öfters durch die Knute eingeprägt. Des Kaisers Wille ist sein erstes und letztes Gesetz. Außerdem lebt er sehr glücklich und hat das Vorrecht, in der Hoffnung seiner zukünftigen Civilisation zu schwelgen.

Schlafmütze, der Hauptschmuck in Michels Toilette, von dem er sich nimmermehr trennen kann. Sie ist ihm auch sehr nöthig, da sie seine Haare bedeckt, wenn sie ihm bei einer neuen Steuer inkonstitutionell zu Berge stehen. Die Schlafmütze ist gewöhnlich von Wolle, wahrscheinlich um ihren Besitzer daran zu erinnern, daß er sich für seine Schlafmütze scheeren lassen muß. Sie wird über das Ohr gezogen, damit er den Demokraten kein Gehör giebt, oder um ihm weniger Schmerzen zu machen, wenn er von seinen Machthabern über das Ohr gehauen wird. Der Erfinder der Schlafmütze ist unbekannt, weswegen er auch leider noch nicht in die Walhalla aufgenommen werden konnte.

Teufel, Satanas oder Fürst der Hölle, regiert in dem angenehmen Lande, wo Heulen und Zähneklappen ist. An seiner goldenen Krone glänzen, wie an den meisten Kronen von Europa, als Diamanten die Thränen seiner armen Untergebenen. Hauptbeschäftigung: die armen Seelen so zu quälen, daß sie des Teufels werden möchten. In der Oberwelt erscheint er zum größten Leidwesen der Buchstabengläubigen nur in der Gestalt des dummen oder des armen Teufels, und wir wollen des Teufels sein, wenn man den ersten nicht hauptsächlich in der sogenannten vornehmen Welt antreffen sollte. Der letzte ist Zwillingsbruder der meisten Dichter, Schulmeister und Wahrheitsfreunde, auch der Studenten, die insofern Aehnlichkeit mit dem Teufel haben, als sie wie jener citirt werden. Der Ausdruck: „Geh’ zum Teufel!“ hat schon mannichfache Anwendung gefunden. Napoleon sagte es zur französischen Republik, die Franzosen zu Louis Philipp und Fürst Windischgrätz zum Reichscommissarius, der aber nicht zum Teufel, sondern nach Frankfurt zurückgegangen ist.

Tod, ein ganz unparteiischer Patron, der heute einer Majestät den Garaus macht, – dann läutet man vier Wochen lang im ganzen Lande – morgen einen Bettler ins Gras beißen läßt – und dann kräht kein Hahn auf der weiten breiten Welt, wenn auch der Bettler ein Ehrenmann und die allerhöchste Majestät das Gegentheil davon gewesen wäre. Der Tod braucht keinen Stuhl; denn er setzt sich den Leuten auf die Zunge. Die Botanik ist seine schwächste Seite: für ihn ist kein Kraut gewachsen. Der Tod selbst ist nicht fürchterlich, wohl aber das Sterben. Dieses ist die letzte Thorheit, die der Mensch begeht.

Vagabund gehört in das weit verbreitete Geschlecht der Faulthiere. Er wird hinter Hecken, auf Landstraßen, im Gefängniß und in den Verhörzimmern der Gerichtsstuben gefunden. Sein Aeußeres entspricht keineswegs den herrlichen Talenten, die er besitzt. Er ist der unverschämteste Bettler, der genialste Lügner, ein eifriger Anhänger des Communismus. Eine Abart davon ist der literarische Vagabund, der Schrecken aller Buchhändler und Schriftsteller. Er sammelt von Jugend an Subscribenten zu einem Werke, das er noch schreiben will, und nimmt nur Vorausbezahlung an. Auch kleine Geschenke von abgetragenen Beinkleidern, Winterröcken und Stiefeln verachtet er nicht. Die Schulden, die er macht, pflegt er mit Exemplaren seines zukünftigen Werkes zu bezahlen. Er stirbt nicht, sondern verdirbt, leider ohne der erwartungsvollen Welt sein vielbesprochenes Opus zu hinterlassen.

Weib, der Schmuck der Schöpfung, im Gegensatze zu dem Manne, der sich einbildet, deren Herr zu sein. Nach Herrn von Balzac hat jede Frau 37,000 Arten Ja, und eben so viele Arten Nein zu sagen. Doch klingt ihr Ja immer wie ein halbes Nein und ihr Nein immer wie ein halbes Ja. Lachend ist sie öfters gefährlicher als weinend, und ein altes Sprichwort sagt: „Was ist leichter als eine Feder? – Der Staub. – Was leichter als der Staub? – Der Wind. – Was leichter als der Wind? – Die Frau. – Was leichter als die Frau? – Nichts!“ – Eines Weibes ganzes Leben ist die Geschichte der Liebe. Wenn ihre Gefühle Schiffbruch leiden, ist ihr Fall hoffnungslos, denn dies ist ein Bankerott des Herzens.

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Kauffer (Red.): Der Nürnberger Trichter. Friedrich Campe, Nürnberg 1848, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fr%C3%A4nkische_Bl%C3%A4tter_nebst_dem_Beiblatt_Der_N%C3%BCrnberger_Trichter.djvu/186&oldid=- (Version vom 31.7.2018)