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Fragmente aus dem Tagebuche eines reisenden Neu-Franken: Fragmente aus dem Tagebuche eines reisenden Neu-Franken (1798)

angesteckt zu werden, soll sich nach einer genauen Berechnung zu der Sicherheit wie 1. zu 109. verhalten. Gewiß das ungeheuerste Mißverhältniß. Daher kommt es dann auch, daß ein großer Theil der Kranken in den hiesigen Spitälern von der Lustseuche angesteckt ist. Der berühmte Frank, Director des großen Bürgerspitals in der Alstervorstadt, soll schon einigemahl den Vorschlag gethan haben, ein eigenes Bordell anzulegen, aber bis jetzt noch kein Gehör gefunden haben. Mir fällt hierbey ein, was mir ein hiesiger praktischer Arzt von dem seeligen Stoll erzählt hat. Dieser große Mann soll sehr oft gesagt haben: er wüßte ein sicheres Mittel, wie sich jeder bey dem Beyschlafe vor einer Ansteckung bewahren könnte; er wollte es aber nicht entdecken, weil er die Ausschweifungen zu vermehren fürchtete. Wenn Stoll wirklich ein solches Universalmittel gekannt hat, woran ich aber sehr zweifeln möchte, so hat er wirklich übel gethan, es nicht bekannt gemacht zu haben.

Es ist nicht genug, daß die Wollust sich durch alle Klassen des unbeweibten Bürgers erstreckt, nein! sie verbreitet sich auch in einem erstaunlichen Grade über die Ehen. Daher ist auch die eheliche Treue in dieser Stadt etwas sehr seltenes. Ueberhaupt denkt der Wiener über diesen Punkt