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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

„Da?“ sprach er.

Darthe machte große Augen. So war bei der allgemeinen Enttäuschung doch Grendsche-Jehkab der einzige gewesen, der Vorteil davon gehabt hatte. Verwirrt drehte sie sich um und schlich mit gesenktem Haupt nach Hause.

Die Dohle aber hüpfte auf dem jenseitigen Ufer vergnüglich von Strauch zu Strauch und ließ ein verwundertes lautes Krächzen hören.

* * *

Jahr um Jahr strömte der Fluß unablässig und ruhig da­hin. Im Frühjahr wurden seine Fluten stürmischer und dunkler, so als beseele ihn ein junger starker Wille. Im Winter aber erstarrten sie ganz, und eine schwere harte Eisdecke hielt den vorwärtsstrebenden Gesellen monatelang gefangen, bis er im März­monat unter donnerdem Krachen und Tosen den Eispanzer sprengte, großmächtige Blöcke übereinander schleuderte wie ein zorniger Riese und, als wolle er sich für die lange Gefangen­schaft schadlos halten, die Eisschollen durcheinander wirbelte und jagte, bis sie verängstigt und immer kleiner werdend dahin schwammen auf Nimmerwiederkehr.

In dieser Zeit liebte Darthe den Fluß am meisten. Sie hatte ordentlich Respekt vor ihm und sah den Eisschollen mit triumphierender Freude nach. Ja, ihr Fluß, der konnte schon was Rechtes, der war stark und mächtig, viel mächtiger als der 

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/199&oldid=- (Version vom 1.8.2018)