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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

Endlich war auch der letzte Mann gegangen. Pastor Berger öffnete die Tür zum Saal und begrüßte Ernst Philippi, der, eine Zeitung lesend, im Schaukelstuhl saß. „Morgen, alter Freund,“ sagte er, „gut geschlafen?“

„Ausgezeichnet!“ rief Ernst Philippi und dehnte sich be­haglich. „Über Pastoratsbetten und Pastoratsgastfreundschaft geht doch nichts.“

„Das freut mich zu hören, lieber Junge, und darum hoffe ich auch jetzt keine Fehlbitte zu tun.“ Der Pastor dämpfte seine Stimme und sah sich vorsichtig um. „Es liegt etwas in der Luft, hier in unsrer Gegend müssen sich unangenehme Dinge vorbereiten, und da du, soviel ich weiß, nichts versäumst, tätest du mir einen großen Gefallen, einige Wochen, na sagen wir gleich Monate, hierzubleiben. Meine Frau ist ängstlich und nervös, ihr wäre das sicher ein großer Trost und mir eine rechte Freude.“

Erfreut schlug Ernst Philippi in die dargebotene Hand. Claire war sein Hauptgedanke.

„Wenn es dir recht ist, gehen wir ein wenig in unsern Garten. Hast du unsere neue Hausgenossin schon gesehen? Sie scheint ja zu der schweigsamen Sorte zu gehören.“

„Stille Wasser!“ sagte die Pastorin, die die letzten Worte vernommen hatte, und trat in den Saal. „Ich müßte mich sehr irren, wenn wir nicht in Fräulein Schenkendorff eine echte Perle gefunden hätten. Ich ging heute früh an dem Flüßchen

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/49&oldid=- (Version vom 1.8.2018)