Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/55

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

Sie und mich, daß wir nicht hinweggehen müssen und bitterlich weinen wie Petrus.“

„Gott verhüte, Gott verhüte!“

„Hören Sie, lieber Kruhming,“ fuhr Berger in gänzlich verändertem Tone fort, „ich bitte Sie dringend, meiner Frau nichts davon zu erzählen. Sie tun mir einen persönlichen Gefallen damit.“ Er reichte dem Küster freundlich die Hand.

Der kleine dicke Mann war nur ein breites Lächeln. Er fühlte sich offenbar durch das Vertrauen sehr geschmeichelt. „Gewiß, gewiß,“ sagte er dienstbeflissen, „warum sollt’ ich denn der gnädigen Frau Sorgen machen?“

„Da erkenne ich doch meinen alten Kruhming wieder!“ rief der Pastor fast fröhlich. „Wenn wir vom Amte nur treu zusammenhalten, da kann uns kein Teufel was anhaben, noch viel weniger eine arme mißleitete Masse. Hören Sie, Kruhming, auf meinem Schreibtisch finden Sie das Verzeichnis der Lieder für morgen.“

Mit tiefen Bücklingen empfahl sich der dicke Küster. Schweigend gingen die Freunde weiter.

„Robert,“ sprach Ernst Philippi in ehrlicher Bewunderung, „du bist der geborene Seelsorger!“

Der Pastor drückte ihm schweigend die Hand. „Was soll daraus werden?“ murmelte er sinnend. Dann blickte er über den Zaun zu seiner Kirche hinüber. Steil erhob sich das grüne Dach auf dem weißen Gemäuer. Die Sonne funkelte friedlich auf dem

Empfohlene Zitierweise:
Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/55&oldid=- (Version vom 1.8.2018)