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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

und wahrhaftig, um es darin zur Meisterschaft zu bringen, muß man ein tüchtiger Künstler werden.“

Sie sah ihn mit strahlender Freude an. „Und unsre Zeit braucht ganze Männer!“

„Und ganze Frauen!“ fiel er ein. „Unsere Zeit ist hart und böse. Wir gehen alle einher in des Todes Schatten und fragen uns: Hat Gott unser baltisches Deutschtum ganz dem Untergange geweiht? In mir aber lebt noch ein großes Stück Kampfeslust, das ist mir in diesen Wochen klar geworden. Hast du Mut, Claire? Wir brauchen beide Mut.“

„Liebe ist Mut!“ sagte sie einfach.

„Claire!“ sprach er begeistert, „du in deiner heiligen Weibesunschuld, du weißt nicht, welch ein herrliches Wort du aussprachst!“

Sie standen unter einer hohen Föhre eng aneinander geschmiegt, ein Windstoß schüttelte weiße flockige Sterne über zwei glückliche starke Menschen.

Arm in Arm traten sie aus dem Walde. Ihre Augen leuchteten in großer strahlender Freude. An der Wegbiegung holte sie mit lang ausgreifenden Schritten der Gemeindeälteste, der Bauer Krimpe, ein.

Er grüßte kurz. „Finde ich den Herrn Pastor zu Hause?“ fragte er.

„Ja gewiß,“ antworteten beide wie aus einem Munde. „Kann ich vielleicht eine Bestellung für den Pastor ausrichten?“ fragte Philippi.

Empfohlene Zitierweise:
Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/61&oldid=- (Version vom 1.8.2018)