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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

sehen Sie doch nur mein steifes Bein, ich bin kein Bühnenheld, Baron.“

„Das – das hab’ ich ja gar nicht bemerkt,“ sagte Baron Fink betrübt. „Das tut mir aber wirklich leid! – Hören Sie,“ fuhr er, von einer neuen glänzenden Idee erfaßt, fort, „meinen lettischen Kriegsgesang habe ich für Orchester gesetzt, den muß ich Ihnen unbedingt noch einmal vorspielen. Besuchen sie mich doch bald.“

Isa Berger kredenzte dem Baron ein Gläschen Kognak, und auf einem Tablett brachte das Dienstmädchen heißen Tee herein. „Trink, Robert, trink!“ bat Isa Berger, „und dann gleich ins Bett. Sie entschuldigen, Baron Fink.“


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Drei Tage waren vergangen. Ein unheimlicher Druck lastete auf dem Pastorat.

Robert Berger war schwer krank und wälzte sich ruhelos auf seinem Lager. „Ich trage die rote Fahne nicht! Nein, nein, ich trage sie nicht! Schieß!“ schrie er wild und machte Miene, aus seinem Bett zu springen.

Ernst Philippi und Isa Berger hatten Mühe, den fiebernden Kranken zu bändigen.

„Um Gottes willen, einen Arzt, Herr Kandidat!“ stöhnte Isa. Ihre tränenlosen, weit aufgerissenen Augen, ihr angstverzerrtes Gesicht schnitten Ernst Philippi ins Herz.

„Ich fahre sofort in die Stadt, liebe verehrte Frau Pastorin,“ sagte er, „und kehre nicht ohne Doktor wieder. Lassen Sie sich

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/90&oldid=- (Version vom 1.8.2018)