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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit

„Gott sei Dank, du bist da!“ rief Claire. „Der Pastor hat ein paar Stunden geschlafen!“

„Doktor Sartorius – meine Braut, Fräulein Schenkendorff!“ stellte Ernst Philippi vor.

„Bitte treten Sie einen Augenblick in den Saal, Herr Doktor, und erwärmen Sie sich durch ein Glas Kognak!“

Der Doktor stürzte hastig zwei Glas Kognak herunter und wärmte seine Hände am Ofen.

Übernächtig und blaß trat Isa Berger zu ihnen. „Guten Abend, Herr Doktor!“ sagte sie tonlos. „Ich habe für Sie das Zimmer neben dem Herrn Kandidaten herrichten lassen, Sie bleiben doch natürlich die Nacht hier.“

Der kleine Mann verbeugte sich. Sein spitzes Maulwurfsgesicht lächelte scharfsinnig und aufmerksam. „Wenn es Ihnen recht ist, komme ich gleich mit zu dem Herrn Pastor, hm!“

Auf den Zehenspitzen trippelte der kleine Mann hinter der schlanken Gestalt Isas aus der Tür.

Claire flog an Ernst’s Brust.

„Claire, mein Lieb, ich habe Furchtbares erlebt!“ stöhnte er erschöpft und preßte sie leidenschaftlich an sich; dann drängte er sie sanft fort: „Geh, geh, vielleicht bist du dort nötig.“

Die Untersuchung war zu Ende. Apathisch lag Robert Berger da. Atemlos hing Isa an den Lippen des Arztes. Er reichte ihr die Hand und sah sie fest an. „Eine schwere Lungenentzündung,

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Frances Külpe: Rote Tage : baltische Novellen aus der Revolutionszeit. S. Schottländers Schlesische Verlagsanstalt, Berlin 1910, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FrancesKuelpeRoteTage.pdf/96&oldid=- (Version vom 1.8.2018)