wie es Frans Hals liebte, in einer bestimmten Situation aufgefasst; den Kopf etwas zur Seite geneigt, die linke Hand in die Hüfte gestemmt, mit einem leicht humoristischen Zug um die Augen, scheint er behaglich einem lebhaften Erzähler zuzuhören.
„Rembrandt ist realistisch“, nach Goethes Worten „in Absicht auf die Gegenstände; Licht, Schatten und Haltung (malerische Haltung) sind bei ihm das Ideelle“. In der Behandlung des Lichts und des Helldunkels, in der Stimmung der Farben ist dieser grösste Realist der holländischen Malerei zugleich ihr grösster Poet. Zur höchsten und eigentümlichsten poetischen Wirkung steigert sich sein Idealismus, wenn er das Licht ohne jede bestimmte reale Motivierung, als etwas von natürlichen Bedingungen unabhängiges, rein phantasiemässig behandelt. In einer Reihe seiner bedeutendsten religiösen Darstellungen, vor allen in den berühmten Passionsbildern der münchner Pinakothek, hat das Licht diesen ganz ideellen, mysteriösen Charakter, es erscheint hier inmitten der scharf realistisch geschilderten Szenen als ein rein visionäres Element, als ein übersinnlicher Glanz strahlt es hinein in die Tiefe irdischen Dunkels. Correggio, der grosse italienische Meister des Lichts und des Helldunkels, hat nur einmal, in der heiligen Nacht, einen Lichteffekt gemalt, der an solche rembrandtsche Bilder erinnert; sonst überall, welcher Kontrast zwischen ihm und dem Magus der nordischen Malerei, zwischen Correggios heiterer Lichtwelt und den mystischen Visionen Rembrandts. In der Idealwelt, wie sie Correggio schildert, ist das Licht die allbeherrschende Macht, die in alle Schatten Helligkeit zaubert und in der Farbe alles materielle tilgt. Bei Rembrandt berühren sich in solchen mystischen Bildern eine ideelle und die wirkliche Welt; in dem Dunkel des Diesseits werden von dem hereindringenden ideellen Licht nur einzelne Punkte geheimnissvoll erhellt und verklärt.
Unter den Werken des Meisters in der dresdner Galerie gehört ein grossartiges Gemälde, das Opfer Manoahs, zu den religiösen Darstellungen der bezeichneten Art.[1] (S. die Abbildung.) Der alte Manoah und seine Gattin, denen der Engel des Herrn die Geburt des Simson verheissen hat, knieen betend vor dem angezündeten Brandopfer und „da die Lohe auffuhr vom Altar gen Himmel, fuhr der Engel in der Flamme hinauf“. Manoah wendet sich in einer plötzlichen Bewegung des Schreckens von der Erscheinung ab, mit niedergeschlagenem Blick, die gefalteten Hände emporgehoben, während sein Weib ruhig in demütiger Andacht verharrt. Von obenher, wo der Engel – eine etwas unförmliche Figur – schattenhaft davonschwebt, fällt ein geheimnisvolles Licht auf die Gruppe der Knieenden und lässt ihre Häupter und die reichfarbigen Gewänder in dem tiefen, die ganze Umgebung wie in
- ↑ Von der Grablegung der erwähnten münchner Passionsfolge besitzt die dresdner Galerie eine Kopie, die wahrscheinlich von Rembrandt selbst überarbeitet ist, von dem Original aber doch nur eine unvollkommene Vorstellung giebt. Bez.: Rembrandt f. 1653.
Hermann Lücke: Die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden. Franz Hanfstaengl, München 1894, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gem%C3%A4ldegalerie_Alte_Meister_(Dresden)_Galeriewerk_L%C3%BCcke.djvu/101&oldid=- (Version vom 27.12.2024)