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Seite:Gemäldegalerie Alte Meister (Dresden) Galeriewerk Lücke.djvu/107

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Amsterdam gehörte, ging in späterer Zeit, als in der holländischen Malerei eine akademisch italienisierende Richtung wieder hervorzutreten anfing, sehr entschieden in diese Richtung über. Wie völlig er früher von Rembrandt beherrscht war, wie er die Art des Meisters nicht blos äusserlich nachzuahmen, auch geistig zu erfassen verstand, zeigt der Traum Jakobs, ein schönes und vortreffliches Bild, das in seinem ganzen Charakter, in der Phantastik des Lichts und des Helldunkels, wie in den realistischen Zügen in der That echt rembrandtisch ist, wenn es auch an Kraft der malerischen Wirkung den Werken des Meisters nicht gleichkommt. Schön empfunden ist der Ausdruck des träumenden Schläfers und der Gestalt des Engels mit der sanft segnenden Geberde. – Auch in dem andern Gemälde steht Bol noch durchaus auf dem Boden der rembrandtschen Schule. Der biblische Gegenstand ist hier streng realistisch genommen, alles Legendenhaften entkleidet; die „Ruhe auf der Flucht nach Ägypten“ ist dargestellt wie eine Szene aus dem Volksleben der damaligen Gegenwart. Müde und erschöpft haben die Flüchtenden auf ihrer Wanderung Rast gemacht; aus den Zügen der Maria spricht tiefe Ermattung, sorgenvoller Ernst aus dem bleichen Gesicht Josephs. Über der weiten nebligen Landschaft liegt eine schwer melancholische Stimmung; alle Farben sind eingetaucht in einen schwermütig ernsten Gesamtton.

Nicht minder begabt, als Ferdinand Bol war Aert de Gelder, einer der letzten Schüler Rembrandts. In dem im Text wiedergegebnen Ecce Homo schloss er sich nahe an des Meisters berühmte, denselben Gegenstand darstellende Radierung von 1665 an. In der Anordnung des Ganzen, in den Hauptformen des architektonischen Hintergrunds, in der Verteilung der Gruppen stimmt das Gemälde mit dieser Radierung überein, doch ist es in allem übrigen, in allen Gestalten und Einzelheiten eine entschieden neue und selbständige, im Geiste Rembrandts neu geschaffne Komposition, sehr reich an charakteristischen, an wahr und lebendig empfundenen Zügen, in den Figuren der Hauptgruppe, in den Gestalten des Dornengekrönten und des Pilatus, wie in der Volksmasse, die sich unten vor dem Gerichtshaus drängt. Die Farbe ist auf einen tiefen düsteren Ton gestimmt, eine trübe, nur von vereinzelten Lichtern erhellte Dämmerung breitet sich über die ganze Szene.

Unter den Malern, die in Amsterdam, als Rembrandt hier auftrat, schon zu einer gewissen Selbständigkeit gelangt waren, bald aber ganz unter die Herrschaft des grossen Neuerers gerieten, ist einer der tüchtigsten Salomon Koninck. Zu seinen besten Werken gehört der vielkopierte Eremit der dresdner Galerie (vom Jahre 1643), ein alter weissbärtiger Asket, der in das Lesen eines mächtigen Folianten vertieft ist. (S. Abb. im Text.) Mit dem Charakter des Gegenstands harmoniert der feingraue, bleiche Grundton der Farbe; die Durchführung ist von ausserordentlicher Genauigkeit und Sorgfalt.

Nicht blos an den Orten wo Rembrandt selbst thätig war, nicht blos in den Schulen von Leiden und Amsterdam, auch in allen den andern während der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Holland aufblühenden Malerschulen, namentlich in den Schulen von Haarlem und Delft, zeigte sich sein mächtiger Einfluss. Allerwärts in der holländischen Malerei, vor allem in der so erstaunlich reich entwickelten Genrekunst sind Spuren rembrandtscher Einwirkung ersichtlich. – Die Geschmackswandlung, die sich in Holland hier und da schon in den fünfziger Jahren in einem sehr bestimmten Gegensatz zu Rembrandt ankündigte, führte in den letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts immer weiter von ihm ab und

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Lücke: Die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden. Franz Hanfstaengl, München 1894, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gem%C3%A4ldegalerie_Alte_Meister_(Dresden)_Galeriewerk_L%C3%BCcke.djvu/107&oldid=- (Version vom 27.12.2024)