damit zugleich von dem Wege der bisherigen selbständig nationalen Entwicklung. In Rembrandts letzter Epoche war sein Einfluss schon fast völlig erloschen; der grossartige Stil seiner letzten Werke ward nur noch von wenigen seiner Zeitgenossen verstanden.
An der Spitze der holländischen Genremaler des 17. Jahrhunderts – sie sind in der dresdner Galerie aufs reichste und vorzüglichste vertreten – stehen drei Meister, die nur wenige Jahre jünger waren als Rembrandt: Adriaen van Ostade (geb. 1610), Gerard Dou (geb. 1613), Gerard Terborch (geb. um 1617). In ihren Bildern spiegelt sich das ganze holländische Leben jener Zeit: Ostade ist der Hauptmeister in der Schilderung des holländischen Bauernlebens, der Maler der holländischen „Dorfgeschichte“, Dou nimmt seine Gegenstände mit Vorliebe aus den mittleren, Terborch aus den höheren Gesellschaftskreisen.
Schon während des zwölfjährigen mit Spanien abgeschlossenen Waffenstillstands (1609–1621), dann auch während des erneuten Kampfes mit Spanien war Holland zu einem blühenden inneren Wohlstand gelangt; noch gehoben und völlig befestigt ward der Wohlstand des Landes durch den westfälischen Frieden (1648), der der Welt nach dreissig wilden Kriegsjahren endlich Ruhe und Sicherheit zurückgab. Die Möglichkeit eines ungestörten behaglichen Lebensgenusses war gesteigert, das Privatleben, das häusliche Dasein gewann einen erhöhten intimen Reiz. Die Stimmung dieser gesicherten friedlichen Existenz ist es, die in der holländischen Genremalerei dieser Zeit, in den feinen Schilderungen aus dem Leben der höheren Stände, wie in den derbfrischen und gemütlichen Szenen aus dem Leben des niedern Volkes auf das mannigfachste wiederklingt. Als Urkunden des damaligen holländischen Lebens haben diese Genrebilder neben dem rein künstlerischen noch ihr besondres geschichtliches Interesse. Ihren Zusammenhang mit der allgemeinen Zeitstimmung, ihren nationalen Hintergrund hat Anton Springer in seinen Bildern aus der neueren Kunstgeschichte vortrefflich ins Licht gestellt.[1]
Wie meisterhaft und mit wie gutem Humor hat Ostade, der hervorragendste Genremaler der haarlemer Schule, seine holländischen Bauern im Behagen ihres friedlichen Daseins, in der Stimmung des Feierabends, in den gemütlichen Ruhestunden im Wirtshaus geschildert. Besonders zahlreich und berühmt sind seine „Wirtshausidyllen“. Eines der besten Bilder dieser Art ist das im Text wiedergegebne, der Stammtisch in der Dorfschenke, ein Werk aus der reifsten Zeit des Meisters, wahrscheinlich vom Jahre 1660. Durch das grosse Fenster zur linken, vor dem eine Anzahl Bauern in
- ↑ A. Springers Bilder aus der neueren Kunstgeschichte, 2. Aufl. II, 195 ff.
Hermann Lücke: Die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden. Franz Hanfstaengl, München 1894, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gem%C3%A4ldegalerie_Alte_Meister_(Dresden)_Galeriewerk_L%C3%BCcke.djvu/108&oldid=- (Version vom 27.12.2024)