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Seite:Gemäldegalerie Alte Meister (Dresden) Galeriewerk Lücke.djvu/109

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gemächlicher Ruhe trinkend, schwatzend und schmauchend um einen runden Holztisch beisammensitzt, fällt ein warmes sommerliches Abendlicht in die Dämmerung des geräumigen Gastzimmers; eine zweite Gruppe von Bauern sieht man in dem tiefschattigen, nur schwach erhellten Hintergrund. Das mit grosser Feinheit behandelte Helldunkel giebt dem Ganzen die höchst gemütliche, behagliche Stimmung. Hier und in andern derartigen Schilderungen Ostades aus derselben Epoche verrät sich in der feinen Ausbildung des Helldunkels aufs deutlichste der Einfluss Rembrandts; in der Poesie der Helldunkelstimmung liegt der Reiz solcher Bilder ebenso sehr, wie in der echt humoristischen Auffassung und der lebendig sprechenden Charakteristik der Figuren. – Gleich stimmungsvoll, noch feiner im Ton ist das andre als Vollbild wiedergegebne Gemälde des Meisters (vom Jahre 1663), das ihn selbst in seiner Werkstatt zeigt. Ein höchst einfaches Atelier! Eine schlichte, mit allerhand gewöhnlichem Malergerät unordentlich angefüllte Arbeitsstätte. Wie schön aber das milde Sonnenlicht, das durch das hohe Fenster hereindringt, sein ruhiges Leuchten und die zarte Dämpfung aller Farben! In dem lauschig stillen Raume sitzt der Meister vor seiner Staffelei eifrig bei der Arbeit; seine vom Betrachter halb abgewendete Stellung erhöht noch den Eindruck seines völligen Fürsichseins; in der kleinen, halb schattenhaften Figur im äussersten Hintergrund erkennt man den Farbenreiber bei seiner Hantierung. Das Bild ist eines der kostbarsten Werke Ostades, ein Meisterwerk an intimer Feinheit der Stimmung.

Gerard Dou, der Hauptmeister der leidener Genreschule, der berühmte Meister der Klein- und Feinmalerei, war ein Schüler Rembrandts in der kurzen Zeit, in der Rembrandt in Leiden als selbständiger Künstler thätig war. „Schon in Dous Erstlingswerken,“ sagt der alte Houbraken, „konnte man wohl sehen, dass gutes, besonders im kleinen und ausführlichen von ihm zu erwarten war. Viele haben sich gewundert, dass aus Rembrandts Schule ein solcher Meister hervorging; doch diese wissen nicht, dass Rembrandt in seiner ersten Zeit sehr ausführlich malte.“[1] Weit mehr aber, als in der Richtung auf fein detaillierende Ausführung ward Dou offenbar in der Behandlung des Helldunkels durch Rembrandt geleitet; in einem ähnlichen Sinn wie bei Ostade hat das Helldunkel Rembrandts, das sich schon in Werken seiner leidener Frühzeit auszubilden begann, auch bei Dou auf die malerische Auffassung rein genrehafter Gegenstände eingewirkt. Auf seine Subtilität in der Ausführung alles einzelnen konnte bereits sein erster Lehrer, der Kupferstecher Dolendo von Einfluss gewesen sein. In der Sorgsamkeit und Sauberkeit der Detailmalerei vermochte er sich kaum genug zu thun, wobei er freilich bisweilen ins kleinliche geriet. Von den beiden im Text und als Vollbild wiedergegebnen Gemälden des Meisters zeigt das erstre ein malerisches Motiv, das von ihm mehrfach behandelt wurde: an einem offnen Fenster, durch das man in ein ganz in heimliches Halbdunkel gehülltes Gemach hineinblickt, eine Gestalt in vollem Tageslicht. Hier steht am offnen Fenster ein Geiger, der seine Fidel streichend in zufriedenster Stimmung in den sonnigen Tag hinausblickt. In dem andern Bild hat der Meister sich selbst in seinem Atelier dargestellt; er sitzt an der Fensterbrüstung mit einem grossen Folianten vor sich, in den er ein Bild einzeichnet; das mannigfaltige, sehr sorgfältig arrangierte Beiwerk, die Statuengruppe, vorn auf der Steinbrüstung die grosse Geige mit dem Notenheft, der Globus, die Laute, alles ist bis ins kleinste mit grosser Genauigkeit durchgeführt.


  1. Houbraken, Groote Schouburgh, 1717 – 19.
Empfohlene Zitierweise:
Hermann Lücke: Die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden. Franz Hanfstaengl, München 1894, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gem%C3%A4ldegalerie_Alte_Meister_(Dresden)_Galeriewerk_L%C3%BCcke.djvu/109&oldid=- (Version vom 27.12.2024)