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Seite:Gemäldegalerie Alte Meister (Dresden) Galeriewerk Lücke.djvu/113

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während der Arbeit erwacht zu sein. Die Farben, das Perlgrau des Atlaskleides, das Dunkelblau der mit weissem Pelz besetzten Samtjacke, das Weiss des Linnenzeugs sind auf dem Grau des Wandhintergrunds ausserordentlich zart zusammengestimmt.

Vollkommen die Richtung Gerard Dous verfolgte sein Hauptschüler Frans van Mieris d. ä. Seine vorzüglichsten Arbeiten sind die seiner mittleren Zeit; später verfiel er mehr und mehr in eine kalt-glatte Eleganz der Behandlung, die freilich dem sich verflachenden Geschmack der Zeit sehr zusagte. Ganz köstlich ist das kleine Gemälde, worin er sich selbst in seiner Werkstatt, eine Dame malend, dargestellt hat (s. d. Abb.), ein Kabinetstück von ungemeiner Schönheit im Licht und im Helldunkel, meisterhaft in der „Stoffmalerei“, besonders in der Behandlung des schimmernden Atlaskleids der Dame und anziehend vor allem durch den feinen Ausdruck in den Zügen des Künstlers. Er hat im Malen eine Pause gemacht und ist mit der Dame in heiterer Unterhaltung begriffen; in seinem Blick glänzt eine zärtliche Empfindung, die er halb zu bekennen, halb zurückzuhalten scheint. Die Dame steht von uns abgewendet, so dass wir von ihrem Gesicht nur ein Stückchen der Wange sehen, aber der Umriss der Wange verrät, dass sie lächelt, während ihre Handbewegung, wie man glauben möchte, ein leichtes Erstaunen ausdrückt. – In dem zweiten abgebildeten Gemälde von Mieris, einem sehr virtuos behandelten Stück, kann man durch die junge Schöne in dem bequemen Morgengewand, die eben eine „Liebesbotschaft“ erhalten hat, an die goethische Philine erinnert werden. Die Alte mit dem zigeunerhaften Aussehen, die das Billet-doux gebracht hat, giebt ihr mit sehr sprechender Geberde Ratschläge über ihr Verhalten.

Jan Steen, der Satiriker, der Rabelais unter den holländischen Genremalern, ein Vorläufer Hogarths, wird in der Regel auch zur leidner Schule gerechnet, obwohl er mit den Meistern dieser Schule wenig oder nichts gemein hat. Während seines wechselvollen und abenteuerlichen Lebens war er bald in seiner Geburtsstadt Leiden, bald im Haag und in Haarlem thätig, in Leiden starb er 1679. In Haarlem, wo er sich zwei Mal, das erste Mal in seiner Studienzeit aufhielt, ward er jedenfalls weit weniger von Ostade, der als einer seiner Lehrer genannt wird, als von Frans und Dirk Hals beeinflusst. Einer bestimmten Schule kann er in Wahrheit nicht zugezählt werden.

Fast immer ist stehen mehr Satiriker als Humorist, in der Charakterzeichnung fast durchgehends von treffendster Schärfe, sarkastisch treffend auch in den karrikierenden Zügen, die seine satirische Tendenz in der Regel mit sich bringt. In der breiten, flotten und dabei doch exakten Pinselführung, in der geistreichen Bestimmtheit der malerischen Durchführung sind viele seiner Bilder Meisterwerke ersten Ranges, doch fehlt es auch nicht an solchen, die in der Oberflächlichkeit und Nachlässigkeit der Behandlung alle Merkmale eines unsteten Temperaments an sich tragen. – Das kleine im Text abgebildete Gemälde gehört zu der geringen Zahl seiner „biblischen“ Darstellungen. Es hat den Titel: die Hochzeit zu Kana. Ist diese Schilderung, wie man auf den ersten Blick fast annehmen möchte, nichts anderes, als eine frivole Ironie? Den Vorgang hat stehen – das ist bei einem holländischen Realisten des 17. Jahrhunderts selbstverständlich – in die damalige Gegenwart verlegt. Im Hintergrund der mit Laubgewinden geschmückten Halle sieht man in ganz kleinen Figuren die Hochzeitsgesellschaft, über ihr auf einer Galerie die Musikanten. Links im Halbdunkel des Mittelgrunds auf

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Lücke: Die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden. Franz Hanfstaengl, München 1894, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gem%C3%A4ldegalerie_Alte_Meister_(Dresden)_Galeriewerk_L%C3%BCcke.djvu/113&oldid=- (Version vom 27.12.2024)