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Seite:Gemäldegalerie Alte Meister (Dresden) Galeriewerk Lücke.djvu/121

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Die spanische Schule des 17. Jahrhunderts


In der Malerei des 17. Jahrhunderts war die spanische neben der niederländischen weitaus die originalste Erscheinung. Mit der Überwindung der italianisierenden Richtung, die im 16. Jahrhundert auch in der spanischen Malerei geherrscht hatte, begann zu Anfang des 17. auch hier eine ganz neue, absolut selbständige Entwicklung. Der unvergleichliche Realismus des Velazquez, die tief nationale, farbenherrliche Kunst des Murillo bedeuteten für die Welt der Malerei eine ebenso mächtige Bereicherung, wie die Kunst der grossen Niederländer.

Die Mehrzahl der bedeutendsten Gemälde des Velazquez befindet sich noch jetzt an der Stätte ihrer Entstehung, in Madrid. Unter denen, die ins Ausland gekommen sind, ist eines der berühmtesten das in der dresdner Galerie befindliche Porträt, das nach Justi (Velazquez und sein Jahrh., I, 395) wahrscheinlich einen Jägermeister Philipps IV, Juan Mateos, darstellt. (S. d. Abb.). Als Velazquez bei seinem zweiten Aufenthalt in Rom das Bildnis seines Dieners Juan Parejo im Pantheon ausstellte – man pflegte hier an bestimmten Festtagen eine Ausstellung von Gemälden alter und neuer Meister zu veranstalten –, sagten die Maler: alles andre sei Malerei, dieses Bild allein Wahrheit.[1] Für die lebensmächtige Wahrheit in Velazquez’ Menschendarstellung ist in der That kein Ausdruck der Bewunderung zu hoch gegriffen. In seiner genialen Porträtkunst, in dem Zauber der künstlerischen Illusion, die seine „spirantes tabulae“ hervorrufen, hat der Realismus der Malerei ein Höchstes erreicht. Die Entstehung des dresdner Bildes wird in die ersten Jahre der mittleren Periode des Meisters zu setzen sein, in die erste Zeit seiner völlig freien Entwicklung. Die Gestalt eines robusten Mannes steht vor uns, in straffer Haltung, mit finstern Augen unter buschigen, zusammengezogenen Brauen, der festgeschlossene Mund mit den starken vorgedrängten Lippen unter dem grauen Schnurrbart hat den Ausdruck einer fast brutalen Energie – eine herrische Natur, zu deren cholerischem Charakter auch das bräunliche Gelb der Hautfarbe stimmt. Besonders charakteristisch ist die Richtung des Blicks, der nicht geradaus, sondern etwas nach unten geht, „als ob er geringschätzig Jemandes Maass nähme“ (Justi). Die Hände sind, wie fast stets in Velazquez’ Bildnissen aus derselben und der späteren Zeit, nur nebensächlich behandelt, sie sollen die Wirkung der Hauptsache, des Kopfes, nicht vorlaut beeinträchtigen; doch sprechen sie auch so in der Gesamterscheinung charakteristisch mit. Die linke auf den Degenknopf gestützte Hand hat den von der linken Schulter herabhängenden Mantel gefasst, während ihn die rechte über die Hüfte


  1. Nach der Erzählung eines deutschen Malers Andreas Schmidt, der sich damals in Rom aufhielt. S. Justi, Velazquez u. sein Jahrh., II, 178.
Empfohlene Zitierweise:
Hermann Lücke: Die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden. Franz Hanfstaengl, München 1894, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gem%C3%A4ldegalerie_Alte_Meister_(Dresden)_Galeriewerk_L%C3%BCcke.djvu/121&oldid=- (Version vom 27.12.2024)