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Seite:Gemäldegalerie Alte Meister (Dresden) Galeriewerk Lücke.djvu/25

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dass die Behandlungsweise in diesem Bilde besonders deutlich erkennen lässt, dass Pinturicchio aus der Schule seines Landsmannes Fiorenzo di Lorenzo hervorging.[1]

Für die paduaner Malerschule war das Studium des klassischen Altertums von besonderer Bedeutung; zum Teil stand sie offenbar unter dem Einfluss der gelehrten Bildung, die in der Universitätsstadt Padua heimisch war. Einen Hauptgegenstand des Studiums bildeten hier, wie erzählt wird, die antiken Skulpturwerke, die Squarcione, der Begründer der paduaner Schule, auf seinen Reisen gesammelt und in seiner Lehranstalt aufgestellt hatte. Eine eigentliche Nachahmung der alten Kunst gab es auch hier nicht. Anfangs war das Interesse an ihr vorwiegend auf Äusserliches gerichtet. Mit besonderer Vorliebe benutzte man klassische Muster für das dekorative Beiwerk der Gemälde, das man sehr reich zu gestalten liebte; im Figürlichen äusserte sich das Studium der alten Skulptur zunächst fast nur in dem Streben nach einer möglichst scharfen, plastisch wirkenden Bestimmtheit der Formen. Der eigentümlich skulpturale Stil, der in der paduaner Schule üblich wurde, nahm bisweilen eine Härte und Schärfe an, von der die Formenbehandlung in der florentiner Malerei auch da, wo sie unter unmittelbaren Einflüssen der Plastik stand, jederzeit frei blieb.

Giulio Romano: La Madonna della Catina

Mit den idealen Eigenschaften der Antike hatte die paduaner Malerei anfangs durchaus nichts gemein. In ihren Ausgangspunkten stand sie völlig innerhalb der realistischen Bewegung der Zeit. Gewichtige Antriebe empfing sie besonders von dem strengen Realismus Donatellos, des bahnbrechenden Meisters der florentiner Plastik, der sich in Padua, als er hier die Reliefs für den Hochaltar des Santo und das mächtige Reiterstandbild des Gattamelata schuf, fast ein Jahrzehnt lang aufhielt (1444–1457). Unter seinem Einfluss ward die paduaner Malerei zugleich noch mehr auf das Plastische hingedrängt. In ihrer skulpturalen Manier hat das realistische Streben des Zeitalters nicht selten den herbsten und schroffsten Ausdruck erhalten. Erst bei Mantegna, und zwar erst in den späteren Werken dieses grossen Hauptmeisters der paduaner Schule machen sich tiefere Wirkungen der Antike geltend; da erst, dann aber auch bedeutender, als bei jedem andern Meister des Quattrocento, gewinnt das antike Formen-Ideal Einfluss.


  1. Lermolieff, kunstkritische Studien, II, 1891, S. 361.
Empfohlene Zitierweise:
Hermann Lücke: Die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden. Franz Hanfstaengl, München 1894, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gem%C3%A4ldegalerie_Alte_Meister_(Dresden)_Galeriewerk_L%C3%BCcke.djvu/25&oldid=- (Version vom 26.12.2024)