in ihrer mantegnesken Art überaus bestimmt, genau und scharf; einzelnes ist mit staunenswerter Feinheit gezeichnet. In der dramatisch bewegten Komposition kommt trotz der noch vorhandenen archaischen Befangenheit eine starke Empfindung und Anschauungskraft aufs wirksamste zum Ausdruck.
Francesco Cossa und ein jüngerer mit Ercole Roberti ungefähr gleichalteriger Ferrarese, Lorenzo Costa, siedelten im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts nach Bologna über; mit ihrer koloristischen Richtung, ihrer lebhaften Farbensprache gaben sie hier der Malerei eine neue bedeutende Anregung. Der hervorragendste Meister der bologneser Schule in dieser Epoche, Francesco Francia (Raibolini) wurde im Koloristischen besonders von Lorenzo Costa beeinflusst. In der eigentümlichen Weichheit seiner Empfindungsweise war Francia von den energischen Ferraresen sehr verschieden. Die weiche, träumerische Stimmung, die in seinen Bildern vorherrscht, ist am meisten der umbrischen Gefühlsrichtung verwandt.
Die dresdner Galerie besitzt zwei der vorzüglichsten Gemälde dieses liebenswürdigen Künstlers. Das eine, die Taufe Christi (s. die Abbildung), hat ganz den Gefühlston, auf den die besten Werke Peruginos, des Hauptmeisters der umbrischen Schule, gestimmt sind. Ein wundersam milder und sanfter Geist spricht aus dem Bilde. Die demütige Gestalt Christi, Johannes der Täufer, der in verehrender Hingebung mit schwärmerisch leuchtendem Auge zu Christus aufblickt, zur Seite die beiden anmutigen Engelknaben, diese Gestalten inmitten der stillen, von Bergen eng umfriedeten Landschaft bilden ein Ganzes voll weichster Harmonie. Von der sentimentalen Art, die sich bei Perugino so häufig bemerklich macht, ist dieses schöne, wahr empfundene Bild völlig frei. Wie die Inschrift besagt, ist es im Jahre 1509 gemalt. So sehr es im Gefühlsausdruck an jene umbrische Weise des 15. Jahrhunderts anklingt, so hat es im Formencharakter, vor allem in den überaus edel gebildeten Körperformen der Christusgestalt doch auch unverkennbare Merkmale des Cinquecento.
Francia gehört zu den Meistern, die den Uebergang von der Frührenaissance zu dem frei entwickelten Stil des 16. Jahrhunderts besonders deutlich bezeichnen. In den Werken seiner späteren Zeit – er lebte bis 1517 – treten namentlich Einflüsse Raffaels, zu dem er auch in persönlicher Beziehung stand, sehr bestimmt hervor. Das andere dresdner Bild des Meisters, die Anbetung der Könige (wiedergegeben im Text) hat so viel raffaelisches, dass Rumohr vermuten konnte, es sei darin ein verschollenes Gemälde Raffaels frei nachgeahmt.[1] Mit dem Ausdruck zartester Innigkeit des Empfindens ist in diesem kostbaren Werk eine Formenschönheit verbunden, von der es keinen Augenblick zweifelhaft sein kann, dass sie unter der Einwirkung Raffaels entstand. Die Jünglingsgestalt zur Linken der Reitergruppe erscheint in der That wie unmittelbar aus einem der schönsten Jugendwerke des göttlichen Urbiners herübergenommen. Noch besonders ausgezeichnet ist dieses kleine, aufs sorgfältigste und feinste durchgeführte Gemälde durch seine ungewöhnlichen koloristischen Vorzüge; an harmonischem Reichtum, an Klarheit und Glanz der Farbe wird es von keinem ändern Gemälde Francias übertroffen.
Von Werken der venezianischen Schule des 15. Jahrhunderts hat die dresdner Galerie nur wenige aufzuweisen. Die beiden eigentlich epochemachenden Venezianer des Quattrocento, die beiden Bellini, mit denen im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts zuerst eine neue, selbständige Entwicklung
- ↑ Rumohr, italienische Forschungen, III, 74. Das Gemälde, von dem Rumohr vermutet, es könne Francia als Vorbild gedient haben, ist ein von Malvasia (Felsina pittrice, I, 44) erwähntes „presepe“ Raffaels, über dessen Verbleib nichts bekannt ist. S. auch Crowe und Cavalcaselle, Raffael, sein Leben und seine Werke, übersetzt von Aldenhoven, I, 265.
Hermann Lücke: Die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden. Franz Hanfstaengl, München 1894, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gem%C3%A4ldegalerie_Alte_Meister_(Dresden)_Galeriewerk_L%C3%BCcke.djvu/28&oldid=- (Version vom 26.12.2024)