dass es sich als einzelnes gar nicht bemerklich macht, sondern in der Erscheinung des Ganzen gleichsam aufgeht. Aber nicht blos durch die Feinheit der äussern Behandlung, wie Thausing mit Recht betont, auch durch die tiefe Beseelung der Hauptgestalt erinnert der Zinsgroschen an Dürer[1]. Auch hierin meinen wir einen Anhauch des dürerschen Genius zu verspüren.
Matthäus erzählt im Evangelium: „Die Pharisäer berieten sich, wie sie Jesus fingen in seiner Rede. Sie sandten zu ihm und liessen ihm sagen: Was dünket dich? Ist es recht, dass man dem
Kaiser Zins gebe oder nicht? Da nun Jesus merkte ihre Schalkheit, sprach er: Ihr Heuchler, was versucht ihr mich? Weist mir die Zinsmünze. Wes ist das Bild und die Ueberschrift? Sie sprachen: des Kaisers. Da sprach er zu ihnen: So gebet dem Kaiser was des Kaisers ist, und Gott was Gottes ist.“ Diese Antwort ist das Motiv der tizianschen Darstellung. Welch ergreifender Kontrast in den beiden Gestalten des Bildes! Der Pharisäer hat sich an Christus herangedrängt, in der brutalen Faust hält er die Münze, das dunkle Gesicht mit dem harten, scharf geschnittenen Profil ist lauernd vorgestreckt gegen das edle herrlich klare Antlitz Christi, der sich gelassen, mit einem wunderbar milden
- ↑ Thausing, Dürer, I, 363.
Hermann Lücke: Die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden. Franz Hanfstaengl, München 1894, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gem%C3%A4ldegalerie_Alte_Meister_(Dresden)_Galeriewerk_L%C3%BCcke.djvu/44&oldid=- (Version vom 26.12.2024)