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Seite:Gemäldegalerie Alte Meister (Dresden) Galeriewerk Lücke.djvu/52

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den Schutzengel Modenas – zu den liebenswürdigsten Gestalten Correggios gezählt hat. Welche beredte Lebendigkeit der Seelensprache! Niemals hat Correggio die Töne der Freude, von der kindlich naiven Lust bis zum seligsten Entzücken reiner erklingen lassen. Der entzückte Ausdruck des heil. Sebastian ist ebenso wahr, wie der Ausdruck des munteren, in fröhlichem Spiel mit ausgebreiteten Armen auf einer Wolke reitenden Engelknaben. In der Maria des Bildes hat Correggios Madonnenideal, das an die Hoheit des raffaelschen freilich nirgends hinanreicht, eine seiner reizendsten Verkörperungen gefunden. Und endlich die Schönheit der koloristischen Gesammtwirkung! Das Bild ist nicht in allen Teilen vollkommen gut erhalten. Aber wie bezaubernd wirkt noch jetzt die Poesie des Lichts und des Helldunkels, das selig strahlende Glorienlicht, in dessen vollstem Glanze das Christuskind und die Madonna erscheint, das in leisen Abtönungen die Engelgestalten umspielt, dann in milderem Schein von den Gestalten der Heiligen wiederglänzt und erhellend auch in das Dunkel tiefer Schatten hineindringt.

An Berühmtheit wird dieses Gemälde noch übertroffen durch das eine der beiden anderen Altarbilder Correggios, die heilige Nacht. (S. d. Abb.) Es entstand wahrscheinlich gegen Ende der zwanziger Jahre; 1522 war Correggio von Alberto Pratonero mit der Ausführung des Bildes für die Kapelle der Pratoneri in der Kirche S. Prospero zu Reggio beauftragt worden; 1530 wurde es hier aufgestellt. Es gehört zu den gefeiertsten Werken der ganzen italienischen Malerei; besonders im 18. Jahrhundert ist es mit der überschwänglichsten Begeisterung gepriesen worden. In der Kunst der Lichtbehandlung und des Helldunkels hat Correggio hier ohne Zweifel eine der höchsten Wirkungen erreicht. Der Schauplatz ist ein ruinenartiges Gebäude, rechts offen gegen eine weit in die Tiefe sich ausdehnende Landschaft. Maria kniet an der Krippe, auf der der Neugeborne gebettet ist und hält das Kind mit beiden Armen liebevoll umfasst. Zur Rechten die Hirten, ein bärtiger alter und ein jüngerer und eine Magd; über ihnen in der Höhe auf Wolken schwebend in eng verschlungenem Reigen eine jubilierende Engelschaar. Rechts hinter Maria im Halbdunkel Joseph, in der Landschaft weiter zurück schlafende Hirten. Der leuchtende Mittelpunkt des Ganzen ist das Kind; ein feines weisslich glänzendes Licht geht von ihm aus, in zartem Wiederschein leuchtet es zurück von dem lieblichen Antlitz der Mutter, es bestrahlt die Gruppe der Hirten und glänzt hinauf bis in die Höhe der Engel; allmälig sich abstufend verfliesst es zuletzt in das Dunkel der Nacht, das den Vordergrund und die Tiefe des Bildes ruhig feierlich einhüllt. Ganz in der Ferne, am Horizont der Landschaft dämmert leise das Frührot des Morgens auf.

Der malerische Grundgedanke des Bildes mag seinen letzten Ursprung in einem apokryphen Evangelium haben, in dem Protevangelium des Jakobus, wo erzählt wird, dass Joseph, als er den Neugebornen zum ersten Mal erblickte, einen Lichtschein von ihm ausgehen sah, von dem das Antlitz der Mutter erglänzte. Schon vor Correggio war diese Legende mehrfach von Malern als Darstellungsmotiv benutzt worden; Julius Meyer, der deutsche Biograph Correggios, macht besonders auf das Triptychon von Hugo van der Goes in S. Maria Nuova in Florenz aufmerksam, wo in dem Bilde der Geburt Christi einer der Engel in dem Reflex des von dem Kinde ausströmenden Lichtes erscheint[1]. Correggio war aber der erste, der dieses Motiv zum Hauptmotiv der ganzen Komposition erhob und


  1. Julius Meyer, Künstler-Lexikon, I, 397. Correggio, 1871, S. 197.
Empfohlene Zitierweise:
Hermann Lücke: Die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden. Franz Hanfstaengl, München 1894, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gem%C3%A4ldegalerie_Alte_Meister_(Dresden)_Galeriewerk_L%C3%BCcke.djvu/52&oldid=- (Version vom 27.12.2024)