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Seite:Gemäldegalerie Alte Meister (Dresden) Galeriewerk Lücke.djvu/57

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Genremaler der Italiener. Eine seiner bekanntesten genreartigen Darstellungen ist „der Falschspieler“, in zwei Exemplaren vorhanden, von denen sich das eine in der dresdner Galerie befindet (s. d. Abb.), ein sehr charakteristisches Werk aus Caravaggios späterer Zeit, in der er, um das drastische in der malerischen Wirkung zu verstärken, auf eine möglichst scharfe Kontrastierung greller Lichter und dunkler Schattenmassen ausging. (Das andere, in früherer Zeit entstandene Exemplar gehört zu der Sammlung Sciarra in Rom.) – Auf die italienische Malerei hatte Caravaggio keinen nachhaltigen Einfluss; entschiedner hat sein Naturalismus durch den Spanier Ribera, der sich ihm nahe anschloss, auf die Entwicklung der spanischen Malerei des 17. Jahrhunderts eingewirkt.

Auf anderem Wege, als Caravaggio, und in einem entgegengesetzten Sinne erstrebten drei Meister der bologneser Schule am Ausgang des 16. Jahrhunderts eine Wiederherstellung der italienischen Malerei, Lodovico, Agostino und Annibale Carracci. Sie erblickten das Heil der Kunst vor allem in einem erneuten, ernsten und gründlichen Studium der grossen Meister der italienischen Blütezeit; auf ein solches Studium waren ihre Reformbestrebungen vornehmlich begründet. In Bologna stifteten sie gemeinschaftlich eine Kunstschule, die sie die Academia degli Incamminati (die Akademie der auf den rechten Weg gebrachten) nannten. Das eklektische Programm der Schule, wie es von Agostino Carracci in einem bekannten Sonett aufgestellt wurde, nach welchem es Aufgabe sein sollte, die verschiedenartigen Vorzüge der grossen Meister, die Kunstweisen Michelangelos, Raffaels, Correggios und der Venezianer zu vereinigen, klingt bedenklich genug. Indessen, was die Carracci und ihre Schüler leisteten, war weit besser als dieses Programm. Sie versteiften sich nicht darauf, das Unmögliche jener Forderung möglich zu machen; nach ihrer eigenen Individualität und nach dem Charakter der malerischen Aufgaben, die sie behandelten, schlossen sie sich in der Regel bald dem einen, bald dem anderen jener Meister näher an. Freilich, eine neue Vollblüte der Kunst konnte auf solche Weise nicht entstehn. Obschon es den bedeutenden Talenten, die in dieser Schule auftraten, an Zügen einer selbständigen Eigenart keineswegs fehlte, so waren sie in der Hauptsache doch auf Nachahmung gestellt, sie tragen die Merkmale des Epigonentums. Die Werke der bologneser Schule, die in Italien und über Italien hinaus weitreichenden Einfluss gewannen, waren nur ein Nachglanz, aber vielfach doch ein lebhafter, in einzelnen Fällen sogar ein überraschend schöner Nachglanz der grossen italienischen Blütezeit. Das Schönheitsideal der Renaissance erlebte hier eine Nachblüte, in der es noch lange und in weiten Kreisen der gebildeten Welt Bewunderer fand. Noch im 18. Jahrhundert waren die Carracci, Guido Reni und Guercino hochgefeierte Namen.

Der begabteste der drei Carracci, Annibale, bethätigte sein Talent am bedeutendsten in der Freskomalerei; in seinen Oelgemälden hat er hauptsächlich dem Vorbild der Venezianer nachgestrebt, ohne ihm jemals wirklich nahe zu kommen; der Farbe fehlt hier fast immer die rechte Leuchtkraft und Tiefe. Von seinen Gemälden in der dresdner Galerie ist in unserem Werke nur eines wiedergegeben: der Genius des Ruhmes oder besser der Genius des Sieges (früher als „Il Valore“ bezeichnet), ein nackter geflügelter Jüngling, der in schwungvoller Bewegung, von einer jubelnden Schaar kleiner Genien begleitet, mit seinen Siegestrophäen gen Himmel emporschwebt. Auf dem strahlenumglänzten Haupte trägt er einen Lorbeerkranz, vier andre Kränze, einen Eichen-, Epheu-,

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Lücke: Die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden. Franz Hanfstaengl, München 1894, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gem%C3%A4ldegalerie_Alte_Meister_(Dresden)_Galeriewerk_L%C3%BCcke.djvu/57&oldid=- (Version vom 27.12.2024)