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Seite:Gemäldegalerie Alte Meister (Dresden) Galeriewerk Lücke.djvu/58

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Weinlaub- und Pinienkranz, wie sie bei den griechischen Wettkämpfen als Siegeszeichen verteilt wurden, trägt er an dem nach oben gestreckten Arme, die Hand hält eine Krone empor. Der schöne, kräftig gebildete Leib hat in der Farbe etwas eigentümlich naturalistisches; in seinem rötlichen Fleischton erscheint er wie erhitzt von der Anstrengung des Kampfes.

Die Werke Guido Renis, des grössten Talents unter den Schülern der Carracci, sind an künstlerischem Wert ziemlich ungleich. Während die Arbeiten seiner letzten Zeit (der dritten Manier) grossenteils eine gewisse Allgemeinheit und oberflächliche Eleganz in der Formenbehandlung und in der Farbe etwas weichliches und verblasenes haben, stehen einige aus der mittleren Periode, einige Gemälde seiner zweiten, „silbertönigen“ Manier an Formenanmut und besonders an Feinheit der Farbe obenan unter den vorzüglichsten Leistungen der italienischen Malerei in dieser Zeit der Nachblüte. Zu ihnen gehört in der dresdner Galerie die Venus mit Amor (s. d. Abb.), die man von jeher als ein Hauptwerk Guido Renis gepriesen hat. Venus ist dargestellt, wie sie auf ihrem Lager halb aufgerichtet lächelnd und mit anmutiger Bewegung den Pfeil aus Amors Händen empfängt. Die Formen des schönen geschmeidigen Frauenkörpers sind ausserordentlich zart und weich modelliert; die Farbe ist auf einen feinen silberig hellen Ton gestimmt.

Die religiösen Bilder der bologneser Schule und ihrer Nachfolger stehen wesentlich unter dem Einfluss der Stimmung, die den restaurierten Katholizismus beherrschte. Niemals vorher waren Passions- und Märtyrerszenen, der leidende Heiland, die Zustände eines ekstatisch erregten Seelenlebens so häufig dargestellt worden. Neben zahlreichen teils krankhaft sentimentalen, teils übertrieben pathetischen Darstellungen dieser Art finden sich auch andere mit einem reineren, echteren und tieferen Gefühlsausdruck. Unter den Bildern Guido Renis, die hierher gehören, ist der viel kopierte Christuskopf in der dresdner Galerie (s. d. Abb.) eines der bedeutendsten. Edel und schön ist in diesem dornengekrönten Haupte der Ausdruck des Schmerzes, wie der Ergebung.

Am strengsten und gewissenhaftesten hat Domenichino (Domenico Zampieri) die Grundsätze der Carracci befolgt. Er war eine ernste, etwas schwerflüssige Natur, durch gründliches Studium hat er sein nicht allzu ergiebiges Talent zu Leistungen befähigt, die unter den Werken der bologneser Schule mit an erster Stelle stehn. Das einzige Gemälde, das die dresdner Galerie von seiner Hand besitzt, eine Caritas (abgeb. im Text), ist für ihn vor allem bezeichnend durch die strenge, überaus sorgsame, allerdings etwas harte Formenbehandlung, die das gerade Gegenteil ist von der oberflächlichen Art der Manieristen. Die Caritas ist als jugendliche Mutter dargestellt, mit drei kräftigen Kindern, von denen das eine an ihrer Brust liegt, das andere gesättigt neben ihr schlummert, während das dritte, ein prächtiger Krauskopf, herbeieilt, um einen Apfel von ihr zu empfangen.

Von leichter gefälliger Art ist der heitere Francesco Albani, ein anderer Schüler der Carracci, der mit Vorliebe mythologische Szenen schilderte, am liebsten solche, die ihm Gelegenheit gaben zur Darstellung von Amoretten und munteren Kindergestalten. Eine Schilderung dieser Gattung ist der im Text abgebildete Amorettentanz. Der Raub der Proserpina, den man im Hintergrund des Bildes links in ganz kleinen Figuren sieht, ist nach der Weise italienischer Dichter jener Zeit als ein Triumph der Liebe aufgefasst. Die kleinen Liebesgötter im Vordergrund feiern diesen Triumph, indem sie ein

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Hermann Lücke: Die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden. Franz Hanfstaengl, München 1894, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gem%C3%A4ldegalerie_Alte_Meister_(Dresden)_Galeriewerk_L%C3%BCcke.djvu/58&oldid=- (Version vom 27.12.2024)