Bildwerk, das den siegreichen Amor darstellt, in lustigem Reigen umtanzen. In der Höhe auf Wolken rechts Frau Venus, links musizierende Eroten. Alles ganz anmutig, aber die Kinderfiguren freilich doch ohne die rechte Naivetät. An die Art der „poetischen Invention“ des Bildes können manche Almanachsbilder des 18. Jahrhunderts erinnern.
Guercino (Francesco Barbieri aus Cento), nach dem Tode Guido Renis der angesehenste Meister in Bologna, gehörte zwar nicht zu den eigentlichen Schülern der Carracci, bildete sich aber hauptsächlich nach ihren Prinzipien, später ward er auch von Caravaggio beeinflusst, ein Künstler von ungemeiner koloristischer Begabung, der sich in manchen Bildern seiner mittleren Zeit den Venezianern ganz nahe stellt. In der dresdner Galerie ist unter seinen Gemälden das ansprechendste die im Text abgebildete Diana, ein Bild von schöner Klarheit und Wärme der Farbe und in den durchaus individuellen Zügen der jungfräulichen Gestalt von eigentümlichem Reiz. Bei anderen Nachfolgern der Carracci kam es sehr bald wieder zu einer gewohnheitsmässigen manieristischen Wiederholung abstrakter Schönheitstypen.
Von den florentiner Malern, die sich gegen die Bestrebungen der bologneser Schule teilweise ablehnend verhielten, aber ihrem Einfluss doch nicht entgingen, war in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts keiner beliebter, als Carlo Dolci. Oftmals sehr affektiert, süsslich sentimental in seinen eleganten Madonnen und Heiligen, hat er doch auch manches wirklich liebenswürdige Bild gemalt. Seine heilige Cäcilie in der dresdner Galerie (s. die Abb.), die Schutzpatronin der Musik, anmutig andächtig die Orgel spielend, gehört noch immer zu den anziehendsten Gestalten in der Malerei dieser italienischen Spätzeit.
In Rom, wo die bologneser Schule um die Mitte des 17. Jahrhunderts hauptsächlich durch Andrea Sacchi vertreten war, begannen ihre anregenden Wirkungen in der nächstfolgenden Zeit schon ersichtlich nachzulassen. Carlo Maratti, ein Schüler Sacchis, damals hochberühmt, erscheint in den meisten seiner Bilder als ein sehr kühler und nüchterner Nachahmer Raffaels. Das kleine Gemälde der heiligen Nacht, das im Text wiedergegeben ist, zeigt ihn als Nachahmer Correggios; es ist in der Licht- und Helldunkelwirkung nicht ohne Feinheit, aber welch empfindlicher Mangel an Leben und innerer Wärme im Ausdruck der Madonna!
In Bologna haben die Überlieferungen der Carraccischule am längsten mit einer gewissen Lebendigkeit fortgewirkt, auch noch in der hier zu Anfang des 18. Jahrhunderts (1709) neu gestifteten Akademie (der Academia Clementina). Die Cignani und Franceschini, die zu ihren Begründern gehörten, gebrauchen die ererbte Formensprache noch immer mit grosser Gewandtheit, häufig allerdings mit einer stark effektsüchtigen Virtuosität. Bei Franceschini ist das Streben nach stark sinnlichen Wirkungen in der Busse der heiligen Magdalena (s. die Abb.) völlig ins krankhafte umgeschlagen. Das Bild dieser Magdalena, die unter ihren Geisselschlägen halb ohnmächtig in der „Wonne des Schmerzes“ zusammengesunken ist, ist in der Malerei jener Zeit wohl ein äusserstes an krankem Raffinement.
Die venezianische Schule hatte auch im 17. Jahrhundert, indem sie die Traditionen ihrer grossen Blütezeit nicht gänzlich erlöschen liess, eine gewisse Selbständigkeit behauptet; in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts traten in ihr auf zwei verschiedenen Gebieten bedeutende Talente mit überraschenden
Hermann Lücke: Die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden. Franz Hanfstaengl, München 1894, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gem%C3%A4ldegalerie_Alte_Meister_(Dresden)_Galeriewerk_L%C3%BCcke.djvu/59&oldid=- (Version vom 27.12.2024)