ist der heilige Sebastian dargestellt, dem Christuskind betend zugewendet, mit einem weichen, an das Leiden des Martyriums erinnernden Ausdruck. Über und neben ihm schwebt eine Schaar kleiner Engel, von denen zwei einen goldenen Reif und ein Bündel Pfeile (die Zeichen des Martyriums) tragen; sie sind im Ausdruck nicht ebenso glücklich gelungen, wie die beiden, die im Begriff sind, dem Heiligen den Mantel umzulegen; namentlich ist das Köpfchen des einen, der ihm links über die Schulter blickt, ganz reizend naiv und lebendig. Der nackte Oberkörper des heiligen Sebastian hat in den Formen auch noch etwas hartes, aber er bekundet zugleich das sorgfältigste Naturstudium, eine Naturkenntnis, wie sie neben Dürer damals kein anderer deutscher Meister besass. – Die bedeutendste Figur des ganzen Werkes ist die Gestalt des heiligen Antonius auf dem andern Flügel; diese ernste, fest in sich geschlossene Gestalt, der durchgearbeitete Charakterkopf und die mächtigen Hände haben schon das volle dürersche Gepräge, sie zeigen schon die ganze Kraft der dürerschen Charakterisierungskunst. Die kleinen phantastischen, wenig schrecklichen Ungetüme, die von Engeln abgewehrt werden, erinnern an die Versuchungen des Heiligen.
Man hat darauf aufmerksam gemacht, dass in diesem Jugendwerk Dürers gewisse künstlerische Eindrücke seiner Wanderjahre nachklingen; eine Zeit lang hatte er sich während der Wanderschaft auch in Venedig aufgehalten; Einwirkungen des Meisters, der unter allen Italienern den stärksten Eindruck
Hermann Lücke: Die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden. Franz Hanfstaengl, München 1894, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gem%C3%A4ldegalerie_Alte_Meister_(Dresden)_Galeriewerk_L%C3%BCcke.djvu/68&oldid=- (Version vom 27.12.2024)