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Seite:Gemäldegalerie Alte Meister (Dresden) Galeriewerk Lücke.djvu/71

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bestimmter Typen und Formen erscheint er oftmals als sein eigener Plagiator. Seine Werkstatt, in der er eine grosse Zahl von Gehilfen beschäftigte, wurde zu einer förmlichen Fabrik, aus der eine Masse von Arbeiten hervorging, an denen er selbst nur sehr geringen Anteil hatte; gleichwohl wurden die besseren in der Regel mit seinem Monogramm, der berühmten geflügelten Schlange, bezeichnet. Solchen Werkstattbildern sind freilich die von ihm eigenhändig ausgeführten Werke auch in dieser späteren Zeit, vor allem in der Sicherheit der technischen Behandlung, noch immer stark überlegen. Man kann sie bei einiger Vertrautheit mit der Art des Meisters von jenen fabrikmässigen Arbeiten unschwer unterscheiden.

Unter Cranachs Bildern sind die Porträts von besonderem Interesse, neben denen der kursächsischen Fürsten, in deren Dienst er stand, und den Bildnissen von Fürsten der verwandten sächsischen und der brandenburgischen Häuser hauptsächlich die Porträts der Reformatoren. Luther und Melanchthon leben in der Vorstellung der Nachwelt wesentlich in der Gestalt der cranachschen Bilder fort. An die geistige Energie der Auffassung, die wir an Dürers Porträtwerken bewundern, reicht Cranach nirgends hinan; er greift nicht so tief und scharf ins Individuelle wie Dürer; aber was er vom Charakter der Persönlichkeit giebt, erscheint klar und sicher beobachtet; seine Bildnisse machen in ihrer Schlichtheit durchaus den Eindruck glaubwürdiger Dokumente.

Die dresdner Galerie besitzt gegen ein Dutzend von Cranach selbst ausgeführter Werke. Zu ihnen wird jetzt, sicher mit Recht, auch das vorzügliche, unvollendet gebliebene Porträt gerechnet, das den Markgrafen Georg von Brandenburg-Ansbach, den „Bekenner“ darstellt, den treuen Anhänger und Verfechter der Reformation. (S. d. Abb.) Das Bild ist mit dem etwas flüchtig und undeutlich gezeichneten Monogramm des Meisters versehen. Dass man es früher für ein Werk Dürers hielt, ist nicht allzu befremdlich. Es ist ungemein sicher und breit behandelt und voll kräftigen, gewichtigen Ausdrucks. – Gleichfalls ein Werk von Cranachs eigener Hand ist das im Text abgebildete kleine Porträt Melanchthons; die feine Gelehrtennatur des Reformators, der bisweilen etwas von einem klugen Diplomaten hatte, ist darin trefflich gekennzeichnet. Auf der rechten Seite des Bildes steht die Jahreszahl 1532; die Inschrift auf der linken Seite (obdormivit in anno 1560, 19. Aprilis etatis sue 63 et 63 dierum) ist später hinzugefügt.

In einer beträchtlichen Zahl von Bildern hat sich Cranach in der Darstellung des Nackten versucht; sie haben bald biblischen, bald mythologischen Titel. Aber alle die Adam- und Evafiguren die er gemalt hat, seine Judithbilder und seine heidnischen Göttinnen sämtlich tragen so ausgesprochenen Modellcharakter, dass sich ihre Benennung eigentlich nur wie ein Vorwand zur Entschuldigung der Nacktheit ausnimmt. Manche solcher Bilder aus Cranachs früherer Zeit lassen ein sehr sorgfältiges Naturstudium erkennen; in einigen, wie in dem Paris-Urteil der karlsruher Galerie, sind die Frauengestalten auch sehr zierlich und hübsch, von naiver Anmut und Frische. Oftmals aber ist ein wenig reizvolles, ziemlich dürftiges Modell in recht harten und steifen Formen handwerksmässig nachgebildet. – Die Doppeltafel „Adam und Eva“ in der dresdner Galerie (s. d. Abb. im Text), bezeichnet mit der Jahreszahl 1531, hat in der Behandlung noch nichts von der handwerksmässigen Art; alles bis ins einzelnste ist mit grosser Sorgfalt, mit sehr subtilem Pinsel durchgeführt. Beide Figuren mit

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Lücke: Die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden. Franz Hanfstaengl, München 1894, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gem%C3%A4ldegalerie_Alte_Meister_(Dresden)_Galeriewerk_L%C3%BCcke.djvu/71&oldid=- (Version vom 27.12.2024)