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Seite:Gemäldegalerie Alte Meister (Dresden) Galeriewerk Lücke.djvu/73

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Stadt, in Beziehung getreten; in diesem Jahre malte er dessen Bildnis und das seiner Gattin (jetzt im baseler Museum). 1521 wurde Meyer, der inmitten der siegreich vordringenden reformatorischen Bewegung dem katholischen Bekenntnis treu blieb, des Bürgermeisteramtes entsetzt. Bald darauf, 1525 oder 1526, gab er Holbein den Auftrag für das Gemälde, das ihn und seine Familie im Schutze der Madonna darstellt. In einer Nische, die oben muschelförmig abschliesst, steht Maria mit dem Christuskind in den Armen, auf dem Haupt eine goldene Krone, ihr blondes Haar fällt aufgelöst auf die Schultern herab. Der Mantel über dem langfaltigen, von einem Gürtelband leicht umfassten Kleide, ist zurückgeschlagen und breitet sich links über die Schulter des knieenden Stifters des Bildes; ihm gegenüber, der Madonna zunächst, kniet seine verstorbene erste Gattin, dann die zweite Gattin und die Tochter; vor ihm der ältere Sohn mit dem nackten Brüderchen, das kindlich naiv mit sich selbst beschäftigt ist. Den Fussboden bedeckt ein schöner persischer Teppich.

Bekannt ist, wie heftig vor Jahren um die Frage gestritten wurde, welches von den beiden Exemplaren, in denen das Madonnenbild vorhanden ist, als das „echte“ zu gelten habe, ob das in der dresdner Galerie oder das im Besitz des Grossherzogs von Hessen im darmstädter Museum oder ob beide von Holbein gemalt seien. Jetzt wird kaum irgendwo noch bezweifelt, dass das darmstädter Bild das holbeinsche Original ist, das dresdner eine Kopie und zwar nicht eine Wiederholung von Holbeins Hand, sondern die Kopie eines niederländischen Meisters des 17. Jahrhunderts. Bei der Vergleichung beider Gemälde wurde früher das Urteil für viele durch den Umstand unsicher gemacht, dass das darmstädter Bild an manchen Stellen, namentlich in den Köpfen, am meisten in den Köpfen der Madonna und des Kindes, stark übermalt und von einem schweren, die Farben trübenden Firnis bedeckt war. In dem dresdner Gemälde erschien vor allem die Madonna ungleich schöner. Nun ist in neuerer Zeit (1888) das darmstädter Bild durch den münchner Restaurator Hauser von dem Firnis und den Übermalungen aufs glücklichste befreit worden, so dass es in seiner vollen ursprünglichen Gestalt, in seiner vollen holbeinschen Schönheit wieder ans Licht gekommen ist. Für den mit Holbeins Art Vertrauten hatte freilich das Bild schon in seinem früheren Zustand an den unberührt gebliebenen Stellen die untrüglichsten Kennzeichen der Echtheit, in einzelnen Zügen der Porträtköpfe, in der ausserordentlich feinen Charakterisierung des Stofflichen der Gewandung und des Beiwerks, in dem eigentümlichen Schmelz der Farbe, in der ganzen Malweise, besonders in der Art, wie die Formen durch einfarbige, aber sehr fein abgestufte, klardurchsichtige Schattentöne modelliert sind. In dem dresdner Bild hat die Behandlung der Gewandstoffe und des Beiwerks durchaus nicht die charakteristische Feinheit Holbeins, während die mehrfarbigen Übergangstöne in den Schatten eine von der holbeinschen Methode abweichende, einer späteren Zeit angehörende Malweise zeigen; den Porträtköpfen fehlt in den Formen und im Ausdruck die Schärfe und Lebendigkeit der echt holbeinschen Porträtkunst.[1]

Verwunderlich kann es scheinen, wie man auf den Gedanken hat kommen können, das Originalbild an einzelnen Stellen zu übermalen, da sich herausgestellt hat, dass diese Partien doch sehr gut erhalten waren. In der Regel greift man doch nur, um Schäden zu heilen, zur Übermalung. Hier lag der Übermalung, die wahrscheinlich im 18. Jahrhundert vorgenommen wurde, in der Hauptsache nichts anderes, als die uns geradezu frevelhaft erscheinde Absicht einer Abänderung zugrunde.


  1. S. die eingehende Vergleichung beider Bilder bei Woltmann, Holbein und seine Zeit, 2. Aufl. S. 300 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Hermann Lücke: Die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden. Franz Hanfstaengl, München 1894, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gem%C3%A4ldegalerie_Alte_Meister_(Dresden)_Galeriewerk_L%C3%BCcke.djvu/73&oldid=- (Version vom 27.12.2024)