Zum Inhalt springen

Seite:Gemäldegalerie Alte Meister (Dresden) Galeriewerk Lücke.djvu/82

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

war jetzt wie früher für die Naturschilderung hauptsächlich charakteristisch; neben dieser Kleinmalerei stand Pieter Brueghel d. ä. mit seinen merkwürdig gross aufgefassten Landschaften fast ganz allein. Die Färbung behielt lange Zeit etwas konventionelles, am auffälligsten in der eigentümlichen Buntheit der ganz rezeptmässig behandelten landschaftlichen Pläne; der vordere ist in der Regel bräunlich, der mittlere hellgrün, der letzte tiefblau gefärbt. Den Fortschritt zu einer grösseren Naturwahrheit, zu einer richtigeren Behandlung der Luftperspektive gewahrt man hier erst in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts, namentlich in manchen Bildern Jan Brueghels d. ä., der in seiner ausserordentlich vielseitigen Thätigkeit in dieser Periode der niederländischen Malerei eine besonders wichtige Rolle spielt (1568–1625). Bisweilen erscheint der richtiger beobachtete Licht- und Luftton in seinen kleinen Landschaftsbildern auch schon als ein wesentlicher Träger der malerischen Wirkung. Das abgebildete Gemälde, die Furt am Bach, ist ein Beispiel dafür: eine langgedehnte, fast kahle Hügelgegend der Niederlande, über die sich von dem leichtbewölkten, bleichbläulichen Himmel ein gedämpftes Licht verbreitet. Hier ist es wesentlich die Wirkung des gedämpften Lichtes, durch die das höchst einfache landschaftliche Motiv malerisches Interesse erhält. In seiner Grundrichtung, in der Hauptmasse seiner ganz miniaturartig, in allen Einzelheiten haarfein ausgeführten Bilder blieb Jan Brueghel vollkommen ein Vertreter der älteren niederländischen Schule; sein Aufenthalt in Italien war auf die Art seiner landschaftlichen Schilderungen ohne jeglichen Einfluss.

Mit grosser Entschiedenheit ging dagegen ein hervorragender Zeitgenosse und Landsmann Brueghels, Paul Bril, in die Richtung der italienischen Landschaftsmalerei über. Wie er während seines Aufenthalts in Italien seinen Namen italienisierte – er nannte sich Paolo Brili –, so übersetzte er auch seinen Stil ins Italienische. Er kam von Antwerpen, wo er 1554 geboren war, in noch jugendlichem Alter nach Rom (1580) und blieb hier bis zu seinem Tode (1626). Ziemlich lange ist von einer Einwirkung italienischer Kunstweise bei ihm wenig zu spüren. Seine kleine im Text wiedergegebne römische Ruinenlandschaft vom Jahre 1600 ist noch ganz in der Art der altniederländischen Kleinmalerei behandelt; auch jene konventionelle Färbung der landschaftlichen Pläne ist hier noch vorhanden. Auf die Wandelung, die später in Brils Darstellungsweise eintrat, hatte offenbar die damals von den Carracci, namentlich von Annibale Carracci in der Landschaftsmalerei angebahnte Richtung den wichtigsten Einfluss. Die Waldlandschaft mit Tobias und dem Engel in der dresdner Galerie stammt aus dieser späteren Zeit des Meisters, aus dem Jahre 1624. (S. d. Abb.) An die Stelle der scharfen Betonung der landschaftlichen Einzelheiten ist eine breite, grosszügige Behandlung getreten, auf die Gesamtwirkung, auf eine schöne Anordnung des Ganzen, auf Linienschönheit der Komposition ist das künstlerische Absehen hauptsächlich gerichtet. In der einheitlichen Lichtführung, in der weichen Tönung der Ferne wird man hier und noch mehr in anderen in dieser späteren Zeit entstandnen Landschaften Brils auch den Einfluss eines bedeutenden deutschen Meisters, der damals in Rom thätig war, wahrnehmen können, den Einfluss Elsheimers. Vor allem aber ist die Landschaft mit Tobias und dem Engel ein bezeichnendes Beispiel für die stilisierende Art der Behandlung, in der sich Bril der von den Carracci ausgehenden Richtung der Landschaftsmalerei anschloss. Er selbst hat an der Weiterentwicklung dieser Richtung sehr hervorragenden Anteil gehabt.

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Lücke: Die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden. Franz Hanfstaengl, München 1894, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gem%C3%A4ldegalerie_Alte_Meister_(Dresden)_Galeriewerk_L%C3%BCcke.djvu/82&oldid=- (Version vom 27.12.2024)