des Bildes steht der geharnischte Held, mit der Lanze in der linken, eine geflügelte Siegesgöttin setzt ihm einen Kranz aufs Haupt, ein Satyr liegt unter ihm niedergeworfen am Boden. Abseits zur rechten die verlassene Venus mit einem weinenden Kupido, hinter ihr der Neid in Gestalt eines alten schlangenhaarigen Weibes. Das Bild ist eines der Werke, in denen Rubens noch etwas unfrei, jedenfalls noch nicht ganz als er selbst erscheint. Die Stellung der Hauptfiguren hat etwas gesuchtes, etwas von „Pose“. Das Kolorit hat noch keineswegs die volle rubenssche Kraft; in der Gestalt der Siegesgöttin erscheint der Lokalton des Fleisches beinahe kalt, die Halbschatten des Fleisches haben das kühle bläuliche Grau, das auch in andern Bildern aus dieser Frühzeit des Meisters die lebensvolle Wirkung der Karnation nicht unwesentlich beeinträchtigt. Der Vortrag hat noch eine gewisse Glätte. Rubenssch ist in dem Bilde vor allem der grosse Zug der Formenzeichnung, der sich in der Gestalt der Siegesgöttin mit einer auffallend schlanken Schönheit verbindet; rubenssch ist auch der Typus der Köpfe, namentlich das Gesichtsprofil der blonden Venus, das ganz niederländischen Schnitt hat. In dem Gegenstück ist die Eigenart des Meisters weit stärker ausgesprochen, in der Farbe und in der ganzen Behandlungsweise.
Ein sehr schönes und bedeutendes, vielleicht auch noch in Rubens’ italienischer Epoche oder bald nach seiner Rückkehr in die Heimat entstandenes Werk ist der heilige Hieronymus der dresdner Galerie. (S. d. Abb.) Der Heilige, der die Freuden des Weltlebens und seine Kämpfe in vollem Maasse erfahren hatte, kniet in der Einsamkeit der Wüste vor einem aus rohen Steinen erbauten Altar, eine Gestalt von mächtigen Formen, höchst ausdrucksvoll in den Zügen des imposanten Kopfes, in dem tief glühenden auf das Kruzifix gerichteten Blick, in der Geberde voll scheuer Ehrfurcht – Kraft und Grösse, die sich vor einem Höheren beugt. Neben dem Heiligen liegt schlummernd sein gewaltiger Löwe. – In der Art der Behandlung, in dem sorgfältig verschmolznen Farbenauftrag ist das Bild den Gemälden der italienischen Periode ähnlich; der Charakter der Farbe, der warme und helle, leuchtende Fleischton des prachtvoll modellierten Oberkörpers des Heiligen macht jedoch eine etwas spätere Entstehungszeit des Werkes wahrscheinlich. (Vgl. Rooses, L’œuvre de Rubens, II, 311–312.) Erworben ward es 1746 aus der modeneser Sammlung.
Hermann Lücke: Die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden. Franz Hanfstaengl, München 1894, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gem%C3%A4ldegalerie_Alte_Meister_(Dresden)_Galeriewerk_L%C3%BCcke.djvu/88&oldid=- (Version vom 27.12.2024)