töten und Io zu befreien. In den Lüften eilt Juno herbei. – In der Farbe kennzeichnet sich das Bild durchaus als ein Werk jener letzten Epoche. Das Inkarnat der beiden Männergestalten ist von ausserordentlicher Wärme und Kraft, die abendliche Landschaft leuchtet in tief glühenden Tönen.
Der „Liebesgarten“, von Rubens’ genreartigen Darstellungen weitaus die berühmteste, ist in einer Reihe von Exemplaren vorhanden, von denen nur zwei ganz unbedingt als eigenhändige Werke des Meisters anerkannt sind; das eine gehört dem madrider Museum, das andre, das in der Komposition von diesem in einigen Stücken abweicht, befindet sich im Besitz des Barons Edmond Rothschild in Paris; beide stammen aus Rubens’ letzter Epoche. Das dresdner Exemplar, das bis auf kleine, unwesentliche Verschiedenheiten dieselbe Komposition zeigt, wie das letztgenannte, hat lange Zeit gleichfalls für ein Originalwerk des Meisters gegolten. Nachdem John Smith schon 1830 in seinem Catalogue raisonné die Überzeugung ausgesprochen hatte, dass es nicht die Merkmale von Rubens’ eigener Hand an sich trage, haben sich zuerst Waagen, dann W. Bode, Woermann und zuletzt auch Rooses (a. a. O., IV, 67) zu derselben Ansicht bekannt. Das dresdner Bild ist eine Kopie, eine nicht von Rubens selbst ausgeführte, aber höchst wahrscheinlich in seiner Werkstatt entstandne meisterliche Wiederholung des rothschildschen Gemäldes. Rooses bemerkt bei der Vergleichung der beiden Bilder: „Rubens manie le pinceau plus librement, plus largement; les touches supérieures se fondent plus intimement avec les touches inférieures; le ton général est plus chaud; . . hinsichtlich der Kopie: dans les personnages, le travail a trop du brillant des pierres précieuses; le moelleux rubénien y fait défaut; l’expression des figures manque du pétillant que le maître y mettait. Malgré cela, l’oeuvre a une valeur très réelle et témoigne d’une dextérité d’imitation, d’une franchise de touche, de nature à nous induire en erreur.“
Die Niederländer nannten die Darstellung „Venus’ Lusthof“, die Franzosen „conversation à la mode“ oder „la société élégante“. Ein prachtvoller Park bildet den Schauplatz. Im Hintergrund ein mächtiger Portalbau, der Eingang zu einer hohen geheimnisvoll beleuchteten Grotte, in ihrer Tiefe eine rauschende Kaskade, vor ihr blühende Rosenbäume, rechts ein Springbrunnen mit der Statue einer wasserspendenden Nymphe; in dem Becken des Brunnens, in der Luft, in den Zweigen der Bäume geflügelte Amoretten; links ein Ausblick in die freie sonnige Landschaft. Umgeben von dieser reichen Szenerie ist vorn, auf dem Rasen des Gartens und dem Parket vor der Grotte in mannigfaltigen Gruppen eine glänzende Gesellschaft von Kavalieren und anmutigen Frauen in festlichen Gewändern vereinigt. Zur linken, etwas abseits von der Hauptgruppe zwei Paare: eine Dame, die von einem Kupido eifrig vorwärts gedrängt den Beteuerungen ihres Kavaliers noch unschlüssig zuhört, vor ihnen das andere Paar im Rasen sitzend, ganz versunken in trauliches Liebesgespräch. In der Mittelgruppe hat sich einer der kleinen Liebesgötter in den Schooss einer Dame geflüchtet, Schutz suchend vor einer andern, die ihn mit ihrem Fächer wegen irgend eines mutwilligen Streiches bestrafen will. Links eine besonders anmutige Blondine mit den Porträtzügen von Rubens’ zweiter Gattin Helene Fourment; sie lehnt sich in ihren Sessel zurück, dem ihr zur Seite schwebenden Amor zugewendet, der ihr ein Geheimnis ins Ohr flüstert. Hinter der Mittelgruppe ein Lautenspieler, rechts neu Ankommende: zwei Damen und ein Kavalier, der vornehmste unter den Rittern dieses Liebeshofes. – Von dem Glanz des koloristischen Stils von Rubens’ letzter Epoche, von rubensschem Geist ist ein reichliches Teil in
Hermann Lücke: Die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden. Franz Hanfstaengl, München 1894, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gem%C3%A4ldegalerie_Alte_Meister_(Dresden)_Galeriewerk_L%C3%BCcke.djvu/91&oldid=- (Version vom 27.12.2024)