machten ihn zum Liebling des englischen Hofes und der ganzen aristokratischen Gesellschaft von London. Viele seiner Bildnisse aus dieser „englischen Periode“ sind in der Noblesse der Auffassung, in der Schilderung fürstlicher Vornehmheit klassisch zu nennen; manche haben allerdings etwas konventionelles, nicht am wenigsten in den schlanken, stereotyp schönen Händen, von denen bekannt ist, dass sie häufig nach den Händen eines bestimmten Modells, nicht nach denen der dargestellten Personen gemalt wurden.
Von den zahlreichen Bildern, in denen Van Dyck den König und die königliche Familie porträtirte, sind mannigfache, in seiner Londoner Werkstatt entstandne Wiederholungen vorhanden, an deren Ausführung seine Schüler und Gehilfen nicht selten in sehr ausgedehntem Maasse beteiligt waren. Die Mehrzahl der Originale wird jetzt in Windsor Castle aufbewahrt. Hier befindet sich auch das Gemälde, das wohl als das Original des erwähnten, drei Kinder Karls I darstellenden Bildes in der dresdner Galerie zu gelten hat; jedenfalls aber ist das mit Recht berühmte dresdner Exemplar in allem wesentlichen eine Wiederholung von Van Dycks eigner Hand. Die Farbe hat den feinen, sehr hellen und zarten Ton, der in den späteren Bildern aus des Meisters englischer Periode als charakteristische Eigentümlichkeit vorherrscht. Die drei anmutigen Kinder, zur linken Karl, in der Mitte der kleine Jakob in langem Kleid, rechts Marie, zeigen in Haltung und Ausdruck eine sehr reizende Mischung von Kindlichkeit und fürstlichem Anstand[1]. – In dem andern Bildnis, das die Königin Henriette in weissem, reich mit Perlen geschmücktem Atlaskleid darstellt, erscheint der vandycksche Farbenton in etwas blasser und verblasener Zartheit; offenbar hat Van Dyck an der Ausführung dieses Werkstattbildes nur geringen Anteil gehabt. Als ein Werk aus „Van Dycks Schule“ ist es 1749 aus der k. Galerie in Prag erworben worden.
Mit diesem Porträt zusammen ward aus derselben Sammlung und gleichfalls als ein Werk aus der Schule Van Dycks das Bildnis Karls I angekauft, das später lange Zeit zu den Hauptwerken des Meisters selbst gerechnet wurde. (S. d. Abb.) Gegenwärtig steht ausser Zweifel, dass es eine Kopie von der Hand des Holländers Peter Lely (Pieter van der Faes) ist, der in London Hofmaler Karls II und Van Dycks hervorragendster Nachfolger war (geboren 1618, wahrscheinlich in Soest bei Utrecht, gestorben in London 1680). Von dem Original wissen wir, dass es bei dem Brande des Schlosses Whitehall 1697 zu Grunde ging. Das von John Faber im Jahre 1738 in Schabkunstmanier gestochne Porträt Karls I, das mit dem dresdner Bild vollkommen übereinstimmt, hat die Unterschrift: „From Sr. Peter Lely’s copy of the celebrated original Picture painted by Sr. Anthony Vandyke which was destroy’d in the fire at Whitehall 1697“. – Steht das dresdner Gemälde mit den Meisterschöpfungen Van Dycks auch nicht auf gleicher Höhe, so ist es dennoch ein Werk von bedeutendem Wert. Wie in andern Bildnissen Karls I liegt auch hier in den edlen Zügen des Gesichts, in dem verschleierten Blick der Ausdruck einer eigentümlichen Melancholie. Als Bernini für eine von ihm auszuführende Büste des Königs drei vandycksche Porträts als Vorlagen erhielt, soll er erschrocken sein und gesagt haben, diesem König müsse ein grosses Unglück bevorstehen. Dem unglücklichen Stuart, der in seinen edlen Eigenschaften, wie in seiner Schuld an die tragische Gestalt des zweiten Richard erinnert, schien sein Schicksal an die Stirn geschrieben.
- ↑ Das Exemplar in Windsor Castle trägt die Jahreszahl 1635; in demselben Jahre entstand ohne Zweifel das dresdner Bild; ein drittes Exemplar im Besitz des Earl of Clarendon zu Grave-Park ist mit der nämlichen Jahreszahl bezeichnet. Das Gemälde der turiner Galerie, das die drei Kinder gleichfalls darstellt, eines der vorzüglichsten Werke Van Dycks aus dieser Periode, ist ungefähr zwei Jahre früher entstanden. Das Bild der fünf Kinder Karls I. in Windsor Castle, von dem die berliner Galerie eine Schulkopie besitzt, stammt aus dem Jahre 1637. S. Woltmann, „Aus vier Jahrhunderten“, S. 97, Woermanns Katalog der dr. G., S. 340, und Bodes Text zum berliner Galeriewerk, IV, 25.
Hermann Lücke: Die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden. Franz Hanfstaengl, München 1894, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gem%C3%A4ldegalerie_Alte_Meister_(Dresden)_Galeriewerk_L%C3%BCcke.djvu/94&oldid=- (Version vom 27.12.2024)