Seine Schilderungen aus dem niederen Volksleben, seine Würfelspieler, seine Trinker und raufenden Bauern sind Meisterstücke in ihrer witzigen Komik, in der Schlagkraft des charakteristischen Ausdrucks, in der geistreichen Leichtigkeit und Sicherheit der Pinselführung. Eine Probe giebt das Textbild „eine Bauernrauferei“.
David Teniers d. j., dessen Berühmtheit den Namen Brouwers lange Zeit nicht wenig verdunkelt hat, der Hofmaler des Erzherzogs Leopold Wilhelm von Österreich, Statthalters der Niederlande, ein weltgewandter vornehmer Mann, hat sein bestes auf demselben Gebiet geleistet, auf dem sein demokratischer Rivale zu Hause war; seinen Bauernstücken, seinen Schilderungen von Kirmessfesten und andern Volksbelustigungen verdankt er hauptsächlich seinen grossen Ruf. Vergleicht man ihn mit Brouwer, der auf seine künstlerische Entwicklung ersichtlichen Einfluss hatte, so ist soviel jedenfalls sicher, dass bei ihm die Hauptstärke nicht, wie bei jenem, in der Charakteristik der Figuren liegt. In der letzten Periode seiner künstlerischen Thätigkeit haben seine Figuren fast durchgehends etwas stereotypes, konventionelles und auch in seiner besten Zeit (ungefähr von 1630 bis in die zweite Hälfte der vierziger Jahre) ist es weniger die individuelle Lebendigkeit der Gestalten, wodurch er anzieht und fesselt, als vielmehr der malerische Reiz der Behandlung im ganzen; sein grosses Talent, sein künstlerisches Feingefühl zeigt sich hier vor allem im Koloristischen. Von den beiden im Text wiedergegebenen Bildern Teniers’ ist das eine, die Kirmess im „Halbmond“, vom Jahre 1641; das andere, das Selbstbildnis des Meisters im Wirtshaus, vom Jahre 1646. Jenes hat eine sehr kräftige und reiche Färbung; das klare Licht eines nur wenig bewölkten sommerlichen Abendhimmels breitet sich über die Szene; die Lokalfarben, das saftige Grün des Wiesenplans links, das schon bräunlich gefärbte Laub der grossen Buche, die im Hof vor dem Wirtshaus zum „Halbmond“ aufragt, die bunten Farben der Kleidung der tanzenden und schmausenden Bauern und der zuschauenden städtischen Gesellschaft treten lebhaft heraus und gehn doch zugleich vortrefflich zusammen; die Hauptgruppen des lustigen Figurengewimmels sind in Bewegung und Ausdruck charakteristisch genug. – Das andere Bild ist eines von denen, in welchen Teniers, wie in den Hauptwerken seiner mittleren Zeit in der Regel, vor allem auf Tonwirkung, auf eine stimmungsvolle Tönung der Farbe ausging; das ganze ist auf einen feinen silbergrauen, jede Lokalfarbe dämpfenden Ton gestimmt. Vorn in dem stillen Winkel des dörflichen Wirtshauses sitzt, mit dem vollen Weinglas in der Hand, ein städtisch gekleideter Mann, in dem Teniers vermutlich sich selbst porträtiert hat, hinten unter einer vom Kaminfeuer angeleuchteten Wolke von Tabaksrauch eine Gruppe diskurrierender Bauern.[1]
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Holland war durch die grosse Umwälzung, die sich in seinen politischen und kirchlichen Zuständen, in seinem ganzen Kulturleben vollzogen hatte, gewissermassen „Neuland“ geworden. Die neue Kunst, die inmitten der neuen Verhältnisse erwuchs, war mit der alten Weltmacht der Renaissance durch nichts mehr verbunden. Wohl aber stand sie mit der früheren selbständigen Entwicklung der niederländischen Kunst, ähnlich wie die vlämische Genremalerei in einem lebendigen innern Zusammenhang. Sie ist trotz ihres so durchaus eigenartigen Charakters doch anzusehn als eine Weiterbildung
- ↑ Über Teniers d. j. s. Rooses, Gesch. der Malerschule Antwerpens, übersetzt v. Reber, S. 385 ff.; über Brouwer und Teniers Bodes Bemerkungen im Text zum Berliner Galeriewerk IV.
Hermann Lücke: Die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden. Franz Hanfstaengl, München 1894, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gem%C3%A4ldegalerie_Alte_Meister_(Dresden)_Galeriewerk_L%C3%BCcke.djvu/96&oldid=- (Version vom 27.12.2024)