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Seite:Gemäldegalerie Alte Meister (Dresden) Galeriewerk Lücke.djvu/97

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der ursprünglichen nationalniederländischen Kunstweise und damit zugleich als eine Fortsetzung der grossen deutschen Kunstbewegung der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die realistische Richtung, die die selbständige niederländische Malerei von jeher verfolgt hatte und die im Zeitalter Dürers auch den Grundzug der deutschen Kunst bildete, sie wurde jetzt, in dieser neuen holländischen Kunst in die letzten Konsequenzen hinausgeführt. Für sie war die ganze Idealwelt des Cinquecento wie versunken.

Salomon Koninck: Der Eremit

Das ganze grosse Bereich der mythologischen und allegorischen, von der Antike herstammenden Vorstellungen, die unter den Italienern heimisch waren, in denen sich Rubens so gern erging, war für die holländischen Hauptmeister in Wahrheit nicht mehr vorhanden; nur in einer gewissen travestierenden Art, derb naturalistisch oder nordisch märchenhaft hat Rembrandt bisweilen antik mythische Stoffe behandelt. Was die religiöse Kunst der Holländer betrifft, so war schon der Umstand allein von Bedeutung, dass der holländische Protestantismus, der Kalvinismus in seinem puritanischen Eifer, im schärfsten Gegensatz zu dem prachtliebenden katholischen Kultus, allen bildlichen Schmuck aus den Kirchen verbannte; eine kirchliche Monumentalkunst war in Holland schon deshalb unmöglich; eigentliche Kirchenbilder wurden von den Holländern nicht mehr gemalt; die religiösen Darstellungen sämtlich, die wir bei ihnen finden – ihre Zahl ist verhältnismässig gering und Rembrandt allein in solchen Bildern wahrhaft bedeutend – waren nicht für kirchliche Zwecke bestimmt. Was auch in ihnen realistisch zu nennen ist, schliesst sich in gewissem Sinne der altniederländischen Art religiöser Darstellungen an und erscheint besonders der Auffassungsweise nahe verwandt, die in der deutschen religiösen Kunst des 16. Jahrhunderts an Dürer ihren grössten Vertreter hatte. In der Art wie Rembrandt biblische Gegenstände auffasste und schilderte, in dem tief persönlichen Gepräge seiner biblischen Darstellungen bekundet sich vor allem auch ein entschieden protestantischer Zug, seine Auffassungsweise ist wesentlich mit in dem individualistischen Prinzip des Protestantismus begründet.

In allen übrigen Darstellungsgattungen sind die Werke der holländischen Malerei nichts andres, sie wollen nichts andres sein, als Spiegelbilder der wirklichen Welt, der holländischen Welt der damaligen Gegenwart. Ein tief volkstümliches Gefühl, ein Heimatsgefühl, wie es aus den damaligen Erlebnissen

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Lücke: Die Königliche Gemäldegalerie zu Dresden. Franz Hanfstaengl, München 1894, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gem%C3%A4ldegalerie_Alte_Meister_(Dresden)_Galeriewerk_L%C3%BCcke.djvu/97&oldid=- (Version vom 27.12.2024)