Seite:George Sand Indiana.djvu/105

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zwingen, wenn er nicht geschickt den von ihr entworfenen Plan unterminierte. Daher überredete er sie, bis zu dem Augenblick, wo es Zeit zum offenen Widerstand sei, dem Anschein des Einverständnisses oder der Gleichgültigkeit anzunehmen.

Ralph wollte durchaus seinen unglücklichen Freunden helfen. Er bot sein ganzes Vermögen, sein Schloß Bellerive, seine Renten aus England und den Verkauf seiner Plantagen in den Kolonien an; doch der Oberst war unbeugsam. Er wollte keinerlei Opfer von ihm annehmen. Ralph verpachtete Bellerive und begleitete Herrn und Frau Delmare nach Paris, bis zu ihrer Abreise nach der Insel Bourbon.

Lagny wurde mit der Fabrik und allem Zubehör zum Verkauf gestellt. Der Winter verfloß für Indiana traurig und düster. Wohl war Raymon in Paris, wohl sah er sie alle Tage; er war voll zarter Aufmerksamkeit für sie, aber er blieb stets nur kurze Zeit und nur in Anwesenheit ihres Gatten.

Raymon hatte Grundsätze, wie wir schon gesagt haben. Als er sah, welche Freundschaft, welches Vertrauen der Oberst ihm schenkte, wie er ihn für das Muster der Ehrenhaftigkeit hielt und wie er fast auf seine Vermittlung zwischen sich und seiner Frau brannte, da entschloß er sich, dieses Vertrauen zu rechtfertigen, diese Freundschaft zu verdienen und die beiden Gatten zu versöhnen. Er wurde wieder moralisch, tugendhaft, Philosoph. Es wird sich zeigen, auf wie lange.

Indiana, welche diese Umwandlung nicht verstand, litt furchtbar, sich so vernachlässigt zu sehen; doch war sie harmlos genug, sich den völligen Ruin ihrer Hoffnungen nicht einzugestehen, denn sie ließ sich leicht täuschen. Ihr Gatte trug vor der Welt den stoischen Gleichmut eines charakterfesten Mannes zur Schau, zu Hause aber war er nur noch ein reizbares Kind. Indiana hatte darunter schwer zu leiden. Eine gewöhnliche Frau würde diesen Mann beherrscht haben, sie wäre auf seine Ansichten eingegangen und hätte sich ihr Bestes dabei gedacht; sie hätte sich scheinbar

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George Sand: Indiana. Karl Prochaska, Leipzig [u.a.] [1904], Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:George_Sand_Indiana.djvu/105&oldid=- (Version vom 1.8.2018)