Seite:George Sand Indiana.djvu/72

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Raymon verstand den zarten Sinn dieser Weigerung nicht; er sah darin nur eine Abweisung und faßte gegen Sir Ralph einen um so tieferen Haß.

Am Abend war Raymon sehr geistreich. Es waren viele Gäste da. Er konnte sich der Bedeutung nicht entziehen, zu welcher ihn sein Talent berechtigte, und wenn Indiana eitel gewesen wäre, hätte sie sich gefreut, ihn von dieser neuen Seite kennen zu lernen. Aber in ihrem geraden, einfachen Sinne erschrak sie im Gegenteil über Raymons geistige Überlegenheit vor der Gewalt, welche er um sich her ausübte, vor dieser magnetischen Kraft, mit welcher der Himmel oder die Hölle manchen Menschen beschenkt.

Traurig sagte sie sich, es sei ja nicht der Ruhm, sondern das Glück, das sie erstrebe, und mit Schrecken mußte sie sich die Frage vorlegen, ob dieser Mann, dem das Leben so verschiedene Farben, so vielseitige Interessen zeige, ihr sein ganzes Gemüt widmen, ihr all seinen Ehrgeiz zum Opfer bringen könne. Was konnte sie, die unbedeutende Frau, in seinem Leben sein, während er in dem ihrigen alles war?

Als er ihr den Arm bot, um sie aus dem Salon zu führen, flüsterte er ihr einige Worte der Liebe zu, aber sie entgegnete ihm traurig:

„Sie haben sehr viel Geist!“

Raymon verstand diesen Vorwurf und brachte den ganzen folgenden Tag zu Frau Delmares Füßen zu. Die anderen, mit der Jagd beschäftigten Gäste ließen beiden vollkommene Freiheit.


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George Sand: Indiana. Karl Prochaska, Leipzig [u.a.] [1904], Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:George_Sand_Indiana.djvu/72&oldid=- (Version vom 1.8.2018)