Zwölftes Kapitel.
Als Sir Ralph von der Jagd zurückkam und nach seiner Gewohnheit Indianas Puls befühlte, bemerkte Raymon, der ihn aufmerksam beobachtete, einen unmerklichen Schimmer von freudiger Überraschung in seinen Zügen. Als begegneten sich die beiden Männer in dem gleichen Gedanken, trafen sich ihre Blicke, und unwillkürlich senkte Raymon sein Auge zu Boden. Während des ganzen übrigen Tages lag in dem Gesichte des Barons, wenn er auf Frau Delmare sah, ein Etwas, das man Teilnahme oder Besorgnis hätte nennen können, wenn seine Züge ein bestimmtes Gefühl auszudrücken vermocht hätten. Vergeblich bemühte sich Raymon, zu ergründen, was es war; Ralph war undurchdringlich.
Plötzlich, als er einige Schritte hinter Frau Delmares Stuhl stand, hörte er Ralph halbleise zu ihr sagen:
„Es würde dir guttun, Cousine, wenn du morgen ein wenig ausrittest.“
„Aber du weißt ja, daß ich kein Pferd hier habe,“ antwortete sie.
„Wir wollen schon eins für dich finden. Willst du uns dann zur Jagd begleiten?“
Frau Delmare brachte verschiedene Ausreden vor, um sich davon loszumachen. Raymon schloß hieraus, daß sie vorzog, bei ihm zu bleiben, glaubte aber auch zu bemerken, daß es ihrem Cousin darum zu tun war, dieses Beieinandersein zu hintertreiben. Er trat näher und vereinigte seine Bitten mit denen Sir Ralphs. Erbittert gegen diesen lästigen Ehrenhüter Indianas, nahm er sich vor, ihm dieses Amt schwer genug zu machen.
„Wenn Sie einwilligen, der Jagd beizuwohnen,“ sagte er zu Indiana, „so werden Sie mich ermutigen, Ihrem Beispiel zu folgen. Ich liebe die Jagd nicht sehr, aber das Glück, Ihr Begleiter zu sein …“
George Sand: Indiana. Karl Prochaska, Leipzig [u.a.] [1904], Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:George_Sand_Indiana.djvu/73&oldid=- (Version vom 31.7.2018)